OehmsClassics OC 921
2 CD • 2h 31min • 2008
16.04.2009
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Nur wenige Musikdramen der jüngeren Vergangenheit haben im Repertoire nicht nur der großen Opernhäuser so festen Fuß gefasst wie Aribert Reimanns Lear, der nach seiner sensationellen Uraufführung 1978 in München geradezu zu einem „Klassiker der Moderne“ avanciert ist. Das von dem Bariton Dietrich Fischer-Dieskau angeregte und von ihm auch mit aus der Taufe gehobene Werk zehrt nicht nur von der Wucht der Shakespeareschen Vorlage, die Claus H. Henneberg in eine dramaturgisch sehr geschickte und auch singbare Opern-Fassung gebracht hat, es geht vielmehr über den Rahmen einer Literatur-Oper hinaus, da die Musik dem ohnehin starken Text eine weitere Dimension hinzufügt, ihre eine überindividuelle, „kosmische“ (Reimann) Aussage gibt.
Dreißig Jahre nach der Uraufführung hat sich die Frankfurter Oper erneut den hohen Ansprüchen dieses Stücks gestellt und auf der ganzen Linie gewonnen. Einen besseren Start als diese Produktion hätten sich die Theaterleitung und die Ausführenden für ihre Partnerschaft mit dem Label Oehms also gar nicht wünschen können. Der vorliegende Zusammenschnitt aus vier Vorstellungen füllt überdies eine Marktlücke, da das Uraufführungsdokument bei DG derzeit nicht im Handel ist. Und für den Dirigenten Sebastian Weigle, der mit Lear in Frankfurt seinen Einstand als GMD gab, ist er eine ausgezeichnete Visitenkarte, denn er bekam das Frankfurter Museumsorchester offenbar auf Anhieb in den Griff und überzeugt mit einer schmerzhaft intensiven Auslegung der Partitur, die ja obsessiv auf das Unsagbare zielt.
Die Besetzung ist hochrangig, auch wenn die drei Töchter mit ihren Münchner Vorgängerinnen (Helga Dernesch, Colette Lorand, Julia Varady) nicht mithalten können. Vor allem Jeanne-Michèle Charbonnet (Goneril) und Caroline Whisnant (Regan), die den Kritiken zufolge auf der Bühne einen starken Eindruck hinterlassen haben, überschreiten mehr als einmal die natürliche Grenze vom Singen oder Sprechsingen hin zum schieren Gekreisch. Auch läßt die Textverständlichkeit bei beiden zu wünschen übrig. Überragendes Format im Deklamatorischen wie im rein Vokalen zeigt Wolfgang Koch in der Titelpartie. Obwohl noch vergleichsweise jung an Jahren, spielt er das Drama des alten verlassenen Mannes beklemmend aus. Seine szenische Präsenz überträgt sich auf der Tonkonserve ebenso wie diejenige Graham Clarks, der in der Rolle des Narren (die in München von dem Schauspieler Rolf Boysen gespielt wurde) wieder ein messerscharfes Charakterporträt schafft.
Ekkehard Pluta [16.04.2009]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Aribert Reimann | ||
1 | Lear (1978) |
Interpreten der Einspielung
- Wolfgang Koch (König Lear - Bariton)
- Magnus Baldvinsson (König von Frankreich - Bassbariton)
- Dietrich Volle (Herzog von Albany - Bariton)
- Michael McCown (Herzog von Cornwall - Tenor)
- Hans-Jürgen Lazar (Graf von Kent - Tenor)
- Johannes Martin Kränzle (Graf von Gloster - Bariton)
- Martin Wölfel (Edgar - Countertenor)
- Frank van Aken (Edmund - Tenor)
- Jeanne-Michèle Charbonnet (Goneril, Tochter König Lears - Sopran)
- Caroline Whisnant (Regan, König Lears Tochter - Sopran)
- Britta Stallmeister (Cordelia - Sopran)
- Graham Clark (Narr - Tenor)
- Chad Graham (Bedienter - Tenor)
- Chor der Oper Frankfurt (Chor)
- Nicolai Klawa (Ritter - Bariton)
- Frankfurter Museumsorchester (Orchester)
- Sebastian Weigle (Dirigent)