Hungaroton HCD 32540
1 CD • 67min • 2007
22.09.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der französische (Hoch-)Adel des 18. Jahrhunderts hatte eine besondere Vorliebe für die französische Schäfermusik und ihre Instrumente. Am Hof Ludwig XVI. erfreuten sich die Musette, eine barocke Form des Dudelsacks, und die Drehleier größter Beliebtheit. Und natürlich die Kompositionen, in denen diese „bäuerlichen“ mit den in der Kunstmusik gebräuchlichen Instrumenten in einen Wettstreit traten – in denen rustikale und aristokratische Welten aufeinander trafen oder sich vermengten. Ein Großteil der Musik Nicolas Chédevilles (1705-1782) – sowohl seine Originalschöpfungen, als auch seine Bearbeitungen von Kompositionen italienischer Meister betreffend – besteht aus derartigen Werken für Musette und Drehleier, für Instrumente also, die wie keine anderen befähigt waren, das dem französischen Adel wohl sehr romantisch anmutende ländliche und dörfliche Idyll heraufzubeschwören.
Der hoch geachtete Komponist, Instrumentenbauer und Notenverleger Nicolas Chédeville entstammte einer berühmten französischen Musikerfamilie, verwandt mit den Hotteterres. Einen hervorragenden Ruf erwarb er sich als Mitglied des königlichen Oboenensembles „Les Grands Hautbois“ sowie als glänzender Musette-Virtuose und -Lehrer. Chédevilles op. 9, die 30 Miniaturen umfassende Sammlung Les Deffis ou l’Etude amusante (Die Herausforderung oder die vergnügliche Etüde), geschrieben für Musette oder Drehleier und Continuo-Gruppe, gibt sich ungemein leichtfüßig, spritzig und federnd, bisweilen herrlich sorglos und in seiner Instrumentierung durchaus farbenfroh. Jedes dieser programmatischen, mitunter etüdenhaften Charakterstücke entpuppt sich als ein stilisierter höfischer Tanz: als Menuett, Sarabande, Gigue, Gavotte oderr Passepied – mal idyllisch gehalten, mal hoch virtuos ausgearbeitet, meist eingebettet in eine kleine Rondoform. Die suitenähnlich und oft paarweise angeordneten Sätze sind im besten Sinne unschuldig verspielte, aber auch gehaltvolle Unterhaltungsmusiken, die sich nicht nur an den Adel und dessen fest besoldete Musiker wandten, sondern auch an Laien, die eine feste Größe im höfischen Musikleben darstellten.
Bei dem sehr vital agierenden Ensemble Le Berger Fortuné, seinem Leiter und Flötisten Pál Németh sowie dem Drehleier-Virtuosen Róbert Mandel sind diese in ihren rhythmischen und melodischen Schattierungen fein differenzierten Stimmungsmalereien bestens aufgehoben. Leider kommt in ihnen die Musette gar nicht zum Einsatz, die Drehleier ist nur selten vertreten. Als Soloinstrumente dominieren die Flöte und Violine, meisterhaft und lustvoll-virtuos eingesetzt etwa in Les Plaisirs du Marzili und Les Plaisirs militaire (Pál Németh, Barockflöte), in La Volubilité und La Muse (Piroska Vitárius, Violine), oder in dem Dialog La Virtuose zwischen Flöte und Violine. Wären da allerdings nicht die wenigen Stücke, in denen das archaische Schnarren und Knarzen sowie das Bordun-Spiel der Drehleier dann doch zu ihrem Recht kommen (Les Plaisirs de Javotte, La Bevilloisse oder Les Amourettes champêtres mit seinem extravaganten Wechselspiel zwischen Drehleier und Cembalo), so hätte diese Wiederentdeckung eines kaum bekannten französischen Barockrepertoires kaum nennenswerte Höhepunkte zu bieten.
Christof Jetzschke [22.09.2008]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Nicolas Chedeville le Cadet | ||
1 | Les deffis ou L'étude amusante op. 9 für Leierkasten und B.c. |
Interpreten der Einspielung
- Pál Németh (Flöte, Leitung)
- Róbert Mandel (Leierkasten)
- Le Berger Fortuné (Ensemble)