Naxos 8.570300-02
3 CD • 2h 49min • 2006
19.02.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Eine Weltpremiere ist diese Produktion des Deutschlandfunks zwar nicht, aber eine Art Wiederentdeckung eines bislang vernachlässigten Werkes sehr wohl. Das zweiteilige Oratorium Il ritorno di Tobia stand und steht bis heute im Schatten der Meisterwerke Die Jahreszeiten und Die Schöpfung, aber es hat musikalisch einiges zu bieten und markiert zudem einen wichtigen Punkt in der Entwicklung des damals 43jährigen Komponisten Joseph Haydn, der eben dabei war, sich als Opernkomponist einen Namen zu machen. Il ritorno di Tobia wurde während der Fastenzeit 1775 im Wiener Kärntnerthortheater (also nicht im Konzertsaal oder in der Kirche!) uraufgeführt, wenige Monate später kam auf Schloß Esterháza die heitere Oper L’incontro improvviso (Unverhoffte Begegnung) heraus, eine unmittelbare Vorläuferin von Mozarts Entführung aus dem Serail.
Trotz des biblischen Stoffes (Tobias kehrt von einer Geschäftsreise zurück und macht mit Hilfe des Erzengels Raffael seinen blinden Vater wieder sehend) ist das Oratorium nicht der Sakralmusik zuzurechnen, sondern entspricht im formalen Aufbau, in den Regieanweisungen und in den teilweise bravourösen Dacapo-Arien der Opera Seria seiner Zeit. Zwar wurde die Premiere in Wien enthusiastisch aufgenommen, auch von der Kritik, aber danach gab es immer wieder Vorbehalte wegen der Länge des Werkes, was Haydn dazu veranlasste, 1784 eine neue Fassung vorzustellen, in der er größere Striche vornahm – aber nicht etwa bei den Rezitativen, sondern bei den Arien.
Andreas Spering, Barock-Experte und bekennender Haydn-Verehrer, hat sich bei dieser ersten Einspielung auf Originalinstrumenten mit Bedacht an die Urfassung gehalten, die er allerdings um zwei neu geschriebene, starke Chöre aus der späteren Version ergänzte. Seine Interpretation hat weit mehr als philologische Bedeutung, denn die Capella Augustina findet unter seiner Leitung zu einem funkensprühenden, gelegentlich elektrisierenden, auch in den stilleren Passagen eloquenten Musizieren, das allen Archivstaub von der Partitur wegpustet.
Von den Sängern erreicht nur die schwedische Mezzosopranistin Ann Hallenberg in der ergiebigen Mutterrolle eine vergleichbare gestalterische Beredtsamkeit, die anderen erfreuen durch gepflegten Gesang, der bei dem Tenor Anders J. Dahlin (Tobia) zur Blässe tendiert. Roberta Invernizzi als Raffaelle und Sophie Karthäuser als Tobias frisch angetraute Sara haben zwei helle, leichte, jugendfrische Soprane einzusetzen, die allerdings nicht sehr stark differieren. Nikolaj Borchev gibt die Vaterrolle mit noblem, aber sehr jung klingendem Bass.
Ekkehard Pluta [19.02.2008]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Joseph Haydn | ||
1 | Il ritorno di Tobia Hob. XXI:1 (Oratorium in zwei Teilen) |
Interpreten der Einspielung
- Roberta Invernizzi (Raffaelle - Sopran)
- Sophie Karthäuser (Sarah - Sopran)
- Ann Hallenberg (Anna - Alt)
- Anders J. Dahlin (Tobia - Tenor)
- Nikolay Borchev (Tobit - Baß)
- VokalEnsemble Köln (Chor)
- Capella Augustina (Orchester)
- Andreas Spering (Dirigent)