Sumi Jo Baroque Journey
Warner Classics 2564 69824-6
1 CD • 65min • 2005
07.03.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Ist Einheitlichkeit ein Verdienst oder ein Defizit? Diese Frage stellt sich unweigerlich beim Hören der „Barock-Reise“, die Sumi Jo unternommen hat. Über „abgerundete und vollkommene hohe Töne“, mit denen sie vor 20 Jahren als Page Oscar im Salzburger Maskenball unter Karajan erstmals von sich Reden machte, verfügt die koreanische Koloratursopranistin heute noch. Einer solchen stimmhygienischen Leistung gebührt Lob und Anerkennung. Leider bleibt uns die nun gereifte Künstlerin interpretatorische Tiefenschärfe weiter schuldig – anders als dies zum Beispiel Edita Gruberova im Verlauf ihrer Karriere geschafft hat.
Dabei wurde bei der Programmzusammenstellung durchaus auf Abwechslung geachtet: Zwei vom Charakter her unterschiedlichen Vivaldi-Arien schließt sich das elegische Bist du bei mir Gottfried Heinrich Stölzels an, das Johann Sebastian Bach einst in das Notenbüchlein für seine Frau Anna Magdalena eintrug; danach ein hübsches Händel-Duett mit dem unauffälligen Tenor Axel Everaet, in dem Sumi Jo ihre Legato-Fähigkeit demonstrieren kann, gefolgt von Where’er you walk aus Semele – ein Paradebeispiel, wie gut auch ihre Mittellage anspricht und zu welch’ beeindruckender mezza voce sie fähig ist. Später wird der Vivaldi-Bach-Händel-Werkkodex um weniger furios auftrumpfende als vielmehr feierliche Musik von Henry Purcell erweitert. Insgesamt ergibt sich jedoch der Eindruck von durchwegs „klassizistischen“ Interpretationen – sei es, dass der dramatische Impetus soweit gezügelt ist, wie es vor den Anfängen der historischen Aufführungspraxis üblich war, oder dass eher ruhige Stücke in ihrem Profil konturlos bleiben.
Von der feinen Ironie, die in Text und Musik von Bachs Kaffeekantate steckt, ist vergleichsweise wenig zu spüren. Der Leipziger Thomaskantor hat hier dem – heute würde man sagen – „Hype“ seiner sächsischen Landsleute auf das den Türken zu verdankende Modegetränk Kaffee ein ernstzunehmendes, zugleich aber mit all seinem (absichtlich unangemessenen!) virtuosen Überschwang auch trefflich karikierendes Denkmal gesetzt. Sumi Jo gelingt es nicht, die Doppelbödigkeit in der Arie Ei! Wie schmeckt der Kaffee süße deutlich zu machen. Sieht man von der Produktion schwereloser Töne ab, könnte man meinen, dass sie eigentlich gar nicht weiß, was sie da singt. Das zu langsame Grundtempo und einzelne irritierende Phrasierungen mögen dafür verantwortlich sein. Bachs Humor bleibt jedenfalls auf der Strecke. Von Textverständlichkeit gar nicht zu reden. Ein bloß neckischer Tonfall reicht bei dieser augenzwinkernden Liebeserklärung an den Kaffee keineswegs. Und Lascia ch’io pianga aus Händels Rinaldo, das spätestens seit Gérard Corbiaus Farinelli-Film zu einem barocken Ohrwurm geworden ist, hat man von Mezzo-Kolleginnen wie Cecilia Bartoli oder Vivica Genaux schon anrührender gehört, weil sie an den richtigen Stellen Akzente gesetzt haben, die Sumi Jo ahnungslos übergeht.
Das Concertgebouw Chamber Orchestra unter Henk Rubingh begleitet einfühlsam, aber spannungsarm. Wirklich aufregend ist diese Reise nie. Ihre 13 Stationen scheinen alle im Dunstkreis einer Barock-Lounge angesiedelt zu sein.
Richard Eckstein [07.03.2008]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Antonio Vivaldi | ||
1 | Nulla in mondo pax sincera RV 630 | 00:06:23 |
2 | Agitata da due venti (Arie der Costanza - aus: Griselda) | 00:04:53 |
Gottfried Heinrich Stölzel | ||
3 | Bist du bei mir | 00:02:53 |
Georg Friedrich Händel | ||
4 | As steals the morn upon the night (Duett für Sopran und Tenor - aus: L' allegro, il penseroso, ed il moderato HWV 55) | 00:06:24 |
5 | Where'ver you walk, cool gales shall fan the glade (Arie des Jupiter - aus: Semele HWV 58) | 00:05:09 |
Johann Sebastian Bach | ||
6 | Ei, wie schmeckt der Coffee süße (Arie - aus: Schweigt stille, plaudert nicht BWV 211) | 00:03:56 |
Henry Purcell | ||
7 | Music for a while Z 583 Nr. 2 (Bühnenmusic - aus: Oedipus Z 583) | 00:03:35 |
Georg Friedrich Händel | ||
8 | Let the Bright Seraphim for Soprano, Trumpet and basso continuo (from: Samson) | 00:04:57 |
Antonio Vivaldi | ||
9 | Sposa son disprezzata | 00:08:36 |
Henry Purcell | ||
10 | Fairest Isle Z 628 Nr. 38 | 00:02:54 |
Georg Friedrich Händel | ||
11 | Lascia ch'io pianga (aus: Rinaldo HWV 7) | 00:05:25 |
Johann Sebastian Bach | ||
12 | Seufzer, Tränen, Kummer, Not | 00:03:56 |
Georg Friedrich Händel | ||
13 | I know tha my Redeemer liveth | 00:05:58 |
Interpreten der Einspielung
- Sumi Jo (Sopran)
- Concertgebouw Chamber Orchestra (Orchester)
- Axel Everaet (Tenor)
- Henk Rubingh (Leitung)