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Besprechung CD

And On Earth Peace

A Chanticleer Mass

Warner Classics 8122-79984-4

1 CD • 75min • 2006, 2007

19.12.2007

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

„Friede auf Erden“: christliche Weihnachtsbotschaft und zeitlos gültiger Hoffnungsträger aller Völker, Religionen und Kulturen! Dies ist der Verkündigungsgedanke eines ebenso ehrgeizigen wie eindrucksvollen musikalischen Gesamtkunstwerkes. Ideenträger ist Joseph H. Jennings. Leiter der an Überzeugungs- und Gestaltungskraft, Ausdruckskunst, gesangstechnischer Artistik und atemberaubend homogener Ensemblewirkung nicht zu überbietenden a-cappella-Formation Chanticleer aus San Francisco. Es ist nicht das erste Mal, daß diese 16 männlichen Interpreten als souveräne Beherrscher aller stimmlichen Register vom sphärisch schönen Falsett-Sopranklang bis zum Superbaß mit spektakulären Programmideen und deren brillanter Realisierung überraschen. Hier jedoch wird eine besonders riskante Vorgabe gewagt – und mit Glanz gewonnen!

Schon der Weg – nämlich die Faszination des Zuhörers zu erringen – ist das Ziel dieser Aufnahme. In vielfach bewährter Weise mit zeitgenössischen Klangexperimenten aller Sparten vertraut, wurde vom Chordirektor an fünf Komponisten aus dem Umkreis des Ensembles der Auftrag vergeben, unabhängig voneinander je einen Satz des Ordinarium Missae, maßgeschneidert für Chanticleer, zu vertonen: Kyrie – Gloria – Credo – Sanctus – Agnus Dei. Als eine in jeder Hinsicht hörenswert konzipierte und produzierte Chanticleer-Messe wird das globale, keinesfalls ausschließlich auf Weihnachten ausgerichtete geistliche Werk durch die gregorianische Choralvorlage der mittelalterlich-lateinischen Friedensbitte „Da pacem, Domine“ eingeleitet. Zwischen den einzelnen Abschnitten des konzertanten Vortrages der traditionellen Einzelteile erklingt eine Auswahl lateinischer Motetten der italienischen Renaissancemeister Andrea Gabrieli und Carlo Gesualdo. Die gregorianische Friedensbitte des Anfangs der Messe wird zum Abschluß des Gesamtwerkes noch einmal in einem nun zeitnahen Satz aus der Feder des Chordirektors wiederholt.

Alle modernen Autoren kommen aus ganz unterschiedlichen Glaubensrichtungen. Was sie stilistisch mehr oder weniger unbewußt auf einen einheitlichen Nenner bringt, ist die Vertrautheit mit dem Leistungsniveau der Chanticleer-Herren und die offensichtlich globale Musiksprache des gegenwärtigen 21. Jahrhunderts: Douglas I. Como (Jg. 1958) ist ein renommierter Crossover-Komponist, Schöpfer eines Bhagavadgita-Oratoriums oder von Film- und Fernsehmusiken (Sex and the City). Respekt gebührt jedoch seinem „Kyrie“ mit einem schier unerschöpflichen Reservoir an futuristisch anmutenden Klangfarben- und Klangflächen-Clustern, die hier sinnfällig zum Einsatz kommen. Es ist kaum zu glauben, mit welcher Raffinesse und kristallklarer Sopranmixtur dies die Chanticleer-Sänger umzusetzen verstehen. Entsprechende Modernismen aus dem satztechnischen Vokabular der Neuen Chormusik, bei der es sich in aller Regel um emotionalisierte Dissonanzvarianten, um textgezeugte Akkordballungen und Verfremdungseffekte handelt, führen auch in allen Folgeteilen zu einer jeweils wortgebundenen, spannungsreichen Patchwork-Wirkung. Für den Zuhörer bedeutet dies eine meditativ problemlos nachzuvollziehende „Weltsprache Musik“.

Kamran Ince (Jg. 1960), ein eingebürgerter Kalifornier mit türkischem Migrationshintergrund, erweitert den Text seines „Gloria“ mit einem mittelalterlich-heimatlichen Sufi-Zitat: „Moslems and Christians and Jews raising their hands to the sky.“ Das Credo des jüdischen Komponisten Shulamit Ran (Jg. 1949) kombiniert das neutestamentarische Glaubensbekenntnis mit hebräisch gesungenen Passagen des Rabbi Moshe ben Maimon (1135-1204). Zugleich läßt er mit einem geisterhaft gesprochenen Zeitungstext aus der „Jerusalem Post“ vom November 2006 erschauern: „a fine spring day in Auschwitz.“ Fast schockierend wird er mit der Aussage kontrastiert, „Do not forget one thing: God is the father of everyone.“ Credo!

Ganz andere Sprachgrenzen sprengt das „Ravanna“-Sanctus, das Ivan Moody (Jg. 1964) als Chordirektor der Griechisch-Orthodoxen Kirche in Lissabon urtextlich beigesteuert hat. Ebenso grenzüberschreitend ist das original irisch vorgetragene Agnus Dei des Amerikaners Michael McGlynn (Jg. 1964) aus Dublin. Damit schließt der alte, hier neu gedeutete und global zu verstehende Meßzyklus als ein zeitnahes Bekenntnis. Es ist in seiner Formensprache und Ausdrucksweise weit mehr als „nur“ ein weiterer neuer Beitrag zur modernen geistlichen Musik. Man mag lediglich bedauern, daß die enormen Anforderungen an seine Interpreten, die hier ihr Können erneut modellhaft beweisen, fürs erste auf den Wirkungskreis konkurrenzloser Elitechoristen beschränkt bleiben wird. Den Beifall zu dem rundum gelungenen Vorhaben und zu seinem Wirkungspotential mindert es nicht.

Dr. Gerhard Pätzig [19.12.2007]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
trad.
1Da pacem, domine (gregor. Choral) 00:00:42
Andrea Gabrieli
2Deus, deus meus, respice in me 00:02:53
Douglas J. Cuomo
3Kyrie 00:09:12
Kamran Ince
4(Gloria) Everywhere 00:12:43
Carlo Gesualdo
5O vos omnes (Responsoria Sabbato Sancto) 00:03:55
6Aestimatus sum 00:04:11
Shulamit Ran
7Credo (Ani ma'amin) 00:12:05
Andrea Gabrieli
8O salutaris hostia 00:03:06
Ivan Moody
9Ravenna Sanctus 00:10:22
Carlo Gesualdo
10Peccantem me quotidie 00:04:30
Michael McGlynn
11Agnus Dei 00:09:43
trad.
12Da pacem, domine (gregor. Choral) 00:01:35

Interpreten der Einspielung

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