Roger Norrington
Bruckner
Erstfassung 1873
SWRmusic 93.217
1 CD • 74min • 2007
14.04.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Bei den Sinfonien Anton Bruckners stellt sich stets zunächst die Frage nach der jeweiligen Fassung – besonders im Falle der Dritten, die wie keine andere verschiedene Stadien der Überarbeitung über sich ergehen lassen musste. Tief verunsichert durch die mehrfache Ablehnung der Wiener Philharmoniker und den eklatanten Misserfolg, den die bereits überarbeitete Sinfonie bei ihrer Uraufführung 1877 erntete, ließ sich Bruckner von seinen Anhängern zu einer weiteren Umarbeitung überreden, die er 1888/89 zusammen mit seinem Schüler Franz Schalk vornahm. Gegen diese Fassung, die heute meistens gespielt wird, sind einige Vorbehalte angebracht, denn sie weist, wenn auch von Bruckner genehmigt, schwerwiegende Eingriffe in die Architektur des Werkes auf, die Bruckner kaum ernstlich gebilligt haben dürfte. Roger Norrington ist nicht der Erste, der sich deshalb für die Erstfassung von 1873 entschieden hat – mit allen Wagner-Zitaten, die dem Komponisten von einigen Zeitgenossen als gezielter Versuch angekreidet wurde, sich der Gunst des berühmten Bayreuther Meisters zu versichern. In dieser Form hatte Bruckner die Sinfonie Richard Wagner vorgelegt und dessen Zustimmung erhalten, ihm das Werk widmen zu dürfen.
Zu den oberlehrerhaften Anmerkungen, die der Meister Propper des „reinen Klangs“ seinen Aufnahmen regelmäßig mit auf den Weg gibt, brauchen wir nichts mehr zu sagen. Halten wir uns an das, was aus den Lautsprechern kommt – und das ist keine Offenbarung. Im Forte eingeengt, im Piano schütter hat der Klang nicht die Substanz, die Bruckners große Form fordert. Den vibratolosen Streichern fehlt die Tragfähigkeit, die die weitgespannten gesanglichen Partien glaubhaft auszufüllen vermöchte. Doch nicht allein der Klang ist enttäuschend. Störungen der Prioritätsordnung zwischen den Stimmen (wenn etwa Ostinati die motivisch tätigen Stimmen überdecken) und ein hölzerner Umgang mit dem Tempo sind ebenso Merkmale von Norringtons Bruckner-Wiedergabe. Die einzelnen Abschnitte, deren subtilster Kontrast sich in ihrem Vorwärtsdrang bzw. ihrer Rückwärtsgewandtheit manifestiert, werden hier gleichförmig aneinander gereiht und lassen kaum Spannung entstehen. Traurigstes Beispiel das zweite Thema des Finales, „Etwas langsamer“, in dem Norrington, einzig auf eine flüssige Darstellung des Chorals bedacht, die unterlegte Polka zu einer flüchtigen Umspielung degradiert und damit der Passage ihren besonderen Charme nimmt. Alles in allem: Keine neuen Erkenntnisse aus Stuttgart.
Wir greifen zu der Aufnahme, die das gleiche Orchester am gleichen Ort 1980 unter Sergiu Celibidache eingespielt hat, und sinnieren darüber, wie Wissen und gewonnene Erfahrungen in weniger als einer Generation wieder abhanden kommen konnten. Oder wir trösten uns mit der über vierzig Jahre alten (gerade bei Medici Masters neu aufgelegten) Aufnahme von Carl Schuricht und den Wiener Philharmonikern – ohne dass sich bei uns das schlechte Gewissen meldet, weil der Klang möglicherweise nicht dem Norrington´schen Reinheitsgebot entspricht....
König, Sixtus
Sixtus König † † [14.04.2008]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Anton Bruckner | ||
1 | Sinfonie No. 3 d minor WAB 103 (Symphony) |
Interpreten der Einspielung
- Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR (Orchester)
- Sir Roger Norrington (Dirigent)