Johann Sebastian Bach
Cantatas for the Complete Liturgical Year Vol. 5
Accent ACC 25305
1 CD • 74min • 2006
22.05.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Vor etwas mehr als zwei Jahrzehnten noch war die solistische Besetzung der ursprünglich chorischen Werke Johann Sebastian Bachs, wie sie etwa Joshua Rifkin bekannt gemacht hat, noch eine Sensation. Besonders zwei Gründe wurden damals angeführt, um die plötzliche Abmagerung des Aufführungsapparates zu rechtfertigen. Kaum überzeugen konnte dabei das Argument, von vielen Werken Bachs sei eben nur ein einzelner Stimmensatz überliefert. Musikwissenschaftler können ein trauriges Lied davon singen, wie verantwortungslos frühere Epochen oft mit dem Quellenmaterial umgegangen sind; warum sollten sämtliche Stimmensätze von Bach’schen Kantaten mit beträchtlichem Aufwand aufbewahrt worden sein? Stärker als das etwas flache Argument des Quellenpositivismus wogen freilich ästhetische Gründe; man versprach sich eine höhere Transparenz besonders der komplexen Passagen; wobei manche der Interpretationen zeigte, daß dieser erwünschte Effekt dadurch erschwert wurde, daß ein einzelner Sänger natürlich atmen muß, damit dazu neigt, seine Stimme an manchen Stellen schwächer auszuführen – und ab und an unhörbar wird.
Dies jedoch lässt sich an Sigiswald Kuijkens Neueinspielung von vier eher weniger populären Kantaten nicht beobachten. Auch Kuijken besetzt den Chor mit nur vier Solisten, gleicht diese Reduktion jedoch dadurch aus, daß er in den kontrapunktisch dichter Sätzen, den Eingangschören und Schlußchorälen, viel Zeit zum Atmen und Aussingen der Phrasen gibt. Und siehe da: Tatsächlich fügen sich die Vokalstimmen sehr harmonisch und gleichzeitig distinkt unterscheidbar in die Totale ein, was auch daran liegt, daß der Orchesterpart durch La Petite Bande ähnlich leichtgewichtig ausgestaltet wird. Zudem sind auch die Sänger von höchster Qualität; alle verfügen über schlanke Stimmen, die dazu sehr kontrolliert geführt werden. Es ist jedoch letztlich Kuijkens kluge Bedächtigkeit, die einzelne Arien, etwa die großartigen Arie „Liebster Gott, erbarme dich“ aus Siehe zu, daß deine Gottesfurcht nicht Heuchelei sei oder der orgelbegleiteten Alt-Arie „Geist und Seele wird verwirret“ aus der gleichnamigen Kantate BWV 35, zu geradezu meditativen Ereignissen macht.
Prof. Michael B. Weiß [22.05.2007]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Johann Sebastian Bach | ||
1 | Siehe zu, daß deine Gottesfurcht nicht Heuchelei sei BWV 179 (Kantate) | 00:16:05 |
7 | Geist und Seele wird verwirret BWV 35 (Kantate) | 00:26:05 |
14 | Ihr, die ihr euch von Christo nennet BWV 164 (Kantate) | 00:15:56 |
20 | Wer Dank opfert, der preiset mich BWV 17 (Kantate zum 14. Sonntag nach Trinitatis) | 00:15:07 |
Interpreten der Einspielung
- Gerlinde Sämann (Sopran)
- Petra Noskaiová (Alt)
- Jan Kobow (Tenor)
- Dominik Wörner (Bass-Bariton)
- Ewald Demeyere (Orgel)
- La Petite Bande (Orchester)
- Sigiswald Kuijken (Dirigent)