Emil Gilels Recital Beethoven • Mendelssohn • Mozart • Schumann
DG 00440 073 4265
1 DVD-Video • 1h 32min • 1971
12.03.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Leider gibt es nur wenige Filmaufnahmen mit dem russischen Pianisten Emil Gilels. Bei EMI ist eine DVD erschienen mit dem Tschaikowsky-Konzert Nr. 1 und der Sonate Nr. 3 op. 2 von Prokofieff (DVA 4901 249). Umso erfreulicher ist es, dass die Deutsche Grammophon Gesellschaft sich nun entschließen konnte, Hugo Kächs Verfilmung von Emil Gilels’ Klavierabend im Rahmen des „Carinthischen Sommers“ in der Ossiacher Stiftskirche der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der verhältnismäßig kleine Kirchenraum ist für den Klang eines Konzertflügels nicht unproblematisch. Dies merkt der schauende Hörer sofort, wenn er die DVD eingelegt hat und das Konzert im vollbesetzten Saal mit Mozarts a-Moll-Sonate beginnt. Der Steinway wirkt etwas indifferent, verfärbt. Aber schon nach wenigen Takten spielt dies überhaupt keine Rolle mehr, denn Gilels diktiert, formt den Klang, indem er die Reibungen, Forschheiten, Lieblichkeiten und rollenden, grummelnden Bewegtheiten des Kopfsatzes mit ungeheurer Konzentration, Akzentgenauigkeit und Weitsicht im wahrsten Sinne des tönenden Wortes zum Besten gibt. Es ist ein Mozart-Handeln von schier andächtiger Intensität oder anders ausgedrückt: die Sonate, die kleine Fantasie in d-Moll und die zwischen Schlichtheit und Kunstfertigkeit vermittelnden Variationen über ein Paisiello-Thema ereignen sich in einer Atmosphäre gesunden Fiebers.
Regisseur Hugo Käch hat sich bei der Bildführung auf Wesentliches konzentriert. Die Kameras fahren nicht im Saal umher, blenden keine Engel ein, ergötzen sich nicht an Beichtstühlen und Heiligenfiguren. Gilels ist der Hauptdarsteller! Und er hat es auch nicht nötig, sich nach jedem Stück – wenigsten bei dieser Gelegenheit – mehr als einmal zu verbeugen. Die Perspektivwechsel entsprechen musikalischen Verlaufsformen, zeigen die ökonomische, uneitle, fabelhaft effektive und in den Nuancen atemberaubend differenzierte „Arbeit“ des Pianisten, der den ersten Satz der Waldstein-Sonate gebremst im Tempo beginnt – und durchhält! Er zerstreut dadurch zu Beginn jeglichen Verdacht, es könnte sich um eine hochmobile, mechanische C-Dur-Toccata handeln. Die Akkord-Repetitionen rattern nicht wie gefühllos aneinandergereiht, vielmehr verkünden sie Entwicklung, sind gleichsam Initialzündung für die Zukunft des gesamten Werkes… Und dann entfaltet sich im Verlauf der drei Sätze eine betörende Geschichte „ohne Worte“ in den Grenzbereichen von Reinheit und Dichte, von Klar- und Weitsichtigkeit. Und auch die Wiedergabe der in ihren musikalischen Charakteren so schwierig zu erfassenden A-Dur-Sonate führt in Regionen emotionaler Erfülltheit und werkverpflichteter Gliederung, wie sie in dieser Vollkommenheit im weiten Land des Klavierspiels nur selten zu erleben sind.
Zwei Zugaben (nur!). Doch man fühlt sich getröstet: man kann ja noch einmal von vorne beginnen und sich glücklich schätzen, via Bild und Ton einem 26 Jahre zurückliegenden Ereignis wieder und wieder beiwohnen zu können.
Peter Cossé † [12.03.2007]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Wolfgang Amadeus Mozart | ||
1 | Klaviersonate Nr. 8 a-Moll KV 310 KV 300d | |
2 | Sechs Variationen über "Salve tu, Domine" von Giovanni Paisiello F-Dur KV 398 | |
3 | Fantasie d-Moll KV 397 | |
Ludwig van Beethoven | ||
4 | Klaviersonate Nr. 21 C-Dur op. 53 (Waldstein-Sonate) | |
5 | Klaviersonate Nr. 28 A-Dur op. 101 | |
Robert Schumann | ||
6 | Nachtstücke op. 23 | |
Felix Mendelssohn Bartholdy | ||
7 | Lied ohne Worte C-Dur op. 67 Nr. 4 (Spinnerlied) – Presto |
Interpreten der Einspielung
- Emil Gilels (Klavier)