Klarinettenquintette
NCA 60170
1 CD • 54min • 1993
23.03.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Als die vorliegende Produktion vor zwölf Jahren (1995) zum erstenmal vorgestellt wurde, war die Originalklang-Euphorie voll im Schwange. Seit Harnoncourts bahnbrechendem Infragestellen der (zunächst) barocken Aufführungspraxis – inzwischen zum künstlerischen Alltag gehörend – war Bewegung in die eingefahrenen Geleise gekommen. Sie erfaßte auch den historisierenden Instrumentenbau mit seinen gleichzeitigen Bemühungen um einen stilgerechten und fachlich fundiert ausgebildeten Musikernachwuchs. Für die Klarinettenszene wurde damals der hier zu hörende Eric Hoeprich zu einem der führenden und versierten Mitstreiter in Wort und Ton. Mit Erfolg, denn seine Praxiserfahrung basierte auf seiner Sammelleidenschaft für museale Klarinetten, abgesichert durch die Kenntnis alter Theoretikerschriften. Seine Anbindung an gleichgesinnte Musiker verschiedener namhafter Ensembles, im vorliegenden Falle an das Streichquartett Les Adieux, führte zu einer stattlichen Reihe hörenswerter Ergebnisse.
Lediglich das musikgeschichtlich relativ späte Auftreten der Klarinette um 1710, zunächst als leichter zu beherrschender Ersatz für das anspruchsvolle Clarinblasen ("clarin-ette" = Clarin-chen), erwies sich alsbald als ein anfechtbarer Schwachpunkt des barocken Neo-Historismus. Denn erst mit Mozarts klassischen Geniewürfen entstand ein vollwertiges, eigenständiges Repertoire für dieses damals ganz moderne Instrument. Diese Modernität war wiederum durch Mozarts Klarinettisten Anton Stadler und dessen Erfindergeist und Tüftlernatur möglich geworden. Mit Stadler begann zugleich eine rasante Weiterentwicklung der Mechanik und Klangkultur, die dann zur Zeit Carl Maria von Webers, Spohrs, Crusells u.a. zu einer konstruktiven Perfektion führten, die weit über das von Hoeprich verwendete Instrument „nach Grenser ca. 1810“ hinausreichte.
Insofern verdienen die erschwerten Umstände im virtuosen Umgang Hoeprichs mit einem veralteten Instrument der einfachsten Klappenkonstruktion unverminderte Bewunderung und Respekt, obwohl die Überenstimmung mit dem authentischen Klang der Zeit Webers und der damals international berühmten Konzertklarinettisten – sofern er überhaupt annähernd ermittelt werden kann – aufgrund des vorliegenden Ergebnisses sehr anzuzweifeln ist. Verräterische Indizien sind unnatürliche, offensichtlich spieltechnisch sperrige phrasierungs- und intonationsbedingte, derbe Akzente und die Tonqualität extremer Registerlagen. Immerhin hatte sich der Komponist in einem Brief an Nägeli zu seinem Opus 34 dahingehend geäußert, „in der größten Mannigfaltigkeit immer die Einheit ... hervorleuchten zu lassen“. Die meisten Spitzenproduktionen mit modernem Instrumentarium kommen diesem romantischen Ideal wesentlich überzeugender entgegen. Solche Einwände entziehen sich freilich mangels interpretatorischer Vergleichsmöglichkeiten dem zweiten Beitrag des vorliegenden Programmes. Das Klarinettenquintett von Sigismund Neukomm (1778-1858), einem weltreisenden Unruhegeist und Vielschreiber unter Webers Zeitgenossen, kommt wegen seiner oft quirligen, gelegentlich banalen Werksubstanz über einen gewissen Achtungserfolg nur wenig hinaus.
Dr. Gerhard Pätzig [23.03.2007]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Carl Maria von Weber | ||
1 | Klarinettenquintett B-Dur op. 34 J 182 | |
Sigismund Ritter v. Neukomm | ||
2 | Klarinettenquintett B-Dur op. 8 |
Interpreten der Einspielung
- Eric Hoeprich (Klarinette)
- Ensemble Les Adieux (Ensemble)