Carus 83.262
2 CD/SACD • 1h 34min • 2006
21.05.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Gottfried August Homilius, Schüler Johann Sebastian Bachs und dreißig Jahre lang Dresdner Kreuzkantor, stand bei seinen Zeitgenossen in höchstem Ansehen als herausragender Kirchenkomponist. Johann Friedrich Reichardt bezeichnete ihn 1776 als den gegenwärtig besten Komponisten sakraler Musik. Homilius’ hier eingespielte Passionskantate Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld vermag ein beredtes Zeugnis von der außerordentlichen Beliebtheit des Werkes abzulegen: Sie erschien nicht allein in voller Partitur im Druck, sondern ist darüber hinaus in zahlreichen zeitgenössischen Abschriften erhalten. Im Gegensatz zur Oratorischen Passion (die dem biblischen Passionsbericht folgt) lenkt das „modernere“ Passionsoratorium den Fokus eher auf das persönliche Erleben, die Betrachtung. Es ist leicht nachzuvollziehen, dass gerade dieses Werk die Zeitgenossen des Komponisten beeindruckte: Homilius’ Musik spricht mit ihrer bildreichen, affektgeladenen Sprache, ihren fesselnden Arien, Ariosi und Accompagnati und kraftvollen Chören unmittelbar an.
Die vorliegende Aufnahme vermittelt insgesamt einen stimmigen Eindruck des Werkes. Das Orchester spielt exzellent, die Basler Madrigalisten bemühen sich redlich um eine klare Diktion. Leider geht ein Gutteil der Wirkung durch die nicht optimale Aufnahmetechnik verloren; das an und für sich vorzügliche Ensemble klingt daher recht pauschal und mulmig. Dennoch ahnt man das Können des Ensembles, etwa in der virtuosen Chorfuge Dass wir durch ihn leben sollen. Den Chorruf Ach Herr, unsere Missetaten hätte ich mir allerdings affektgeladener gewünscht. Hier schöpft Fritz Näf das musikalische Potential des Chorsatzes nicht voll aus.
Die Solistenriege wirkt etwas uneinheitlich. Die beiden hohen Stimmen (Sopran und Tenor) sind klanglich und interpretatorisch deutlich überlegen. Monika Mauch überzeugt durch stimmliche Substanz in allen Lagen und eine stets der Textaussage entsprechende musikalischen Gestaltung. Markus Brutscher verfügt zwar über eine klangschöne Stimme, die er aber leider auf gehaltenen Tönen mit einem – für meinen Geschmack völlig inadäquaten – schnellen und kleinräumigen Vibrato anreichert.
Wieder einmal kann das Carus-Label mit einem erfreulich sorgfältig edierten Beiheft punkten. Es enthält eine kompetente Werkeinführung von Uwe Wolf, ausführliche Biographien aller Mitwirkenden Solisten und Ensembles sowie den kompletten Text der Kantate in Deutsch und Englisch.
Schön, dass man (sei es aus musikalischer Einsicht oder aus merkantilem Kalkül) endlich erkennt, dass es im Deutschland des 18. Jahrhunderts auch noch andere Passionsmusik als die Johann Sebastian Bachs gab. Wie wunderbar wäre es, fände diese Erkenntnis allmählich auch Eingang in das Repertoire der Kantoreien und Konzertchöre! Einige CD-Firmen und Musikverlage werden seit einigen Jahren nicht müde, ihr Bestes dazu zu tun…
Heinz Braun † [21.05.2007]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Gottfried August Homilius | ||
1 | Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld HoWV 1.2 (Passionskantate) |
Interpreten der Einspielung
- Monika Mauch (Sopran)
- Bogna Bartosz (Alt)
- Markus Brutscher (Tenor)
- Hans Christoph Begemann (Bass)
- Basler Madrigalisten (Chor)
- Neue Düsseldorfer Hofmusik (Ensemble)
- Fritz Näf (Dirigent)