Coronatio solemnissima
Die Krönung des Kaisers Leopold I. (1658)
Christophorus CHR 77283
1 CD/SACD • 74min • 2006
27.12.2006
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
1658, wenig mehr als zehn Jahre nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges, wurde Leopold I. aus dem Hause Habsburg in der Frankfurter Bartholomäus-Kirche zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gekrönt. Langwierige Verhandlungen waren diesem Ereignis vorausgegangen, und nun, da die seit Jahrhunderten mit dem habsburgischen Herrscherhaus verbundene Kaiserwürde einmal wieder unter Überwindung mancher diplomatischer Schwierigkeit für die Familie gesichert war, war es natürlich auch angemessen, das Fest mit allem erdenklichen Pomp zu begehen. Der „römische Kaiser“, seit Jahrhunderten mit dem Titel des „deutschen Königs“ verknüpft und an dessen altertümlichen germanisch-feudalistischen Wahlmodus gebunden, war die höchste weltliche Würde, die das Abendland zu vergeben hatte: Das „weltliche Schwert“ der abendländischen Christenheit, wie das Papsttum das „geistliche Schwert“ der katholischen Sphäre war. Beide aus dem Mittelalter tradierten Autoritäten hatten durch die politische Entwicklung der letzten Jahrhunderte beträchtlich an realer Macht eingebüßt – der Kaiser musste sich auf seine Hausmacht stützen (im Falle der Habsburger die österreichischen Erblande und das böhmische Königtum, mit dem immerhin eine Kurwürde verbunden war) und der Papst auf seinen Kirchenstaat, dessen Gründungsurkunde die „Konstantinische Schenkung“ war (sie war eine Fälschung, jeder wusste es mittlerweile, keiner redete davon, und der Heilige Stuhl verhielt sich in der Artikulation seiner weltpolitischen Ambitionen der Sachlage entsprechend viel bescheidener als im Mittelalter).
Die alten festlichen Rituale, die mit diesen uralten Institutionen des abendländischen Christentums verbunden waren, wurden jedoch mit aller Feierlichkeit begangen – bis zum Ende des Alten Reiches im Jahr 1806, was den römisch-deutschen Kaiser anging. Beim Papsttum überlebte dieser Pomp bis zur Krönung Pauls VI. 1963, als zum letzten Mal in der Geschichte der Bischöfe von Rom die päpstliche Tiara mit ihren drei über eine Goldmitra gestülpten Kronen zum Einsatz kam, mit der die mittelalterliche Sicht eines Vorrangs der päpstlichen Autorität vor jeglicher irdischen Herrschaft zum Ausdruck gebracht wurde. Die Macht des Kaisertums war schon anderthalb Jahrhundert vor seinem Verlöschen geringer als die Autorität der Papstes von Rom, der noch heute als einer der entscheidenden religiösen Leitfiguren der Menschheit und international gültiges Leitbild agiert.
Arno Paduch und sein Johann Rosenmüller Ensemble entwerfen ein lebendiges Bild von der musikalischen Prachtentfaltung der Krönungszeremonie, das durch einen hervorragenden Erläuterungstext im Beiheft diese Zeremonie auch für heutige Hörer mit einer Mindestbegabung für historische Zusammenhänge zum Teil ihrer eigenen Geschichte werden lässt. Dabei inspiriert sich der Stil ihrer Interpretationen deutlich mehr am aus Renaissance und Barock ererbten Repertoire der Krönungsmusiken als an den alten gregorianischen Melodien, die selbstverständlich auch zum Ritus einer Kaiserkrönung gehörten. So unbeteiligt und lasch können diese auch mitten im 17. Jahrhundert nicht geklungen haben!
Detmar Huchting [27.12.2006]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Johann Heinrich Schmelzer | ||
1 | Corrente per l'intrada di S.M.C. (Arie per il balletto a cavallo, Wien, 1667) | |
trad. | ||
2 | Ecce mitto angelum meum (Gregorianische Antiphon) | |
Antonio Bertali | ||
3 | Spiritus Domini repletvit orbem terrarum (Introitus des Pentecoste) | |
4 | Missa Sancti Spiritus | |
Johann Heinrich Schmelzer | ||
5 | Sonata I a 8 | |
Antonio Bertali | ||
6 | Veni, Sancte Spiritus (a 12, Sequentia) | |
trad. | ||
7 | Desiderium animae tribuisti (Gregorianisches Responsorium) | |
8 | Unxerunt Salomonem Sadoc sacerdos (Gregorianische Antiphon zu Salbung) | |
9 | Unxit te Deus (Gregorianische Antiphon zur Salbung) | |
Antonio Bertali | ||
10 | Venite gentes, accurite populi (a 12) | |
Johann Heinrich Schmelzer | ||
11 | Sonata III (Duodena selectarum sonatarum, Nürnberg, 1659) | |
12 | Corrente per l'intrada di S.M.C. (Arie per il balletto a cavallo, Wien, 1667) | |
Wolfgang Ebner | ||
13 | Toccata tertii toni | |
Antonio Caldara | ||
14 | Te Deum laudamus per l'incoronazione |
Interpreten der Einspielung
- Johann Rosenmüller Ensemble (Ensemble)
- Arno Paduch (Dirigent)