Johann Sebastian Bach
Matthäus-Passion BWV 244
Challenge Classics CCDVD72233
2 DVD-Video • 2h 43min • 2005
07.04.2006
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die Matthäuspassion, im Bachschen Familienkreis auch die „Große Passion“ genannt, hatte in der Tat zum Zeitpunkt ihrer ersten Aufführung 1727 nicht ihresgleichen in der noch jungen Gattung der oratorischen Passion, sowohl was die monumentalen Ausmaße des fast dreistündigen Werks betraf als auch im Hinblick auf die dramaturgische Gestaltung des Stoffes. Das Königsstück der Passionen ist Bachs Matthäuspassion seit ihrer Wiedererweckung durch Felix Mendelssohn Bartholdy im Jahr 1829 in einer vielfältigen Aufführungstradition bis auf den heutigen Tag geblieben, wenn auch manchem die kleinere Schwester Johannespassion vom Herzen her näher steht.
Nur 13 Jahre nach seiner Studioproduktion bei Erato legt Ton Koopman jetzt einen Konzertmitschnitt aus der Joriskirche im niederländischen Amersfoort vom März 2005 vor. Ist die Live-Atmosphäre gerade bei dramatisch äußerst dichten Werken wie der Matthäuspassion unleugbar von Vorteil, kann man dank des Mediums DVD jetzt auch zum visuellen Zeugen der Aufführung werden. Eine ruhige Bildregie zeigt die Vokalsolisten, agierende Orchestergruppen sowie den jeweils singenden Chor und beleuchtet – ohne je indiskret zu werden – den Dirigenten; überdies verdeutlicht die kluge Bildführung die doppelchörige Anlage des Werkes mehr als die in der Räumlichkeit etwas flach erscheinende Aufnahmetechnik.
Als überaus eindrucksvoll erweisen sich die Vokalsolisten. Jörg Dürmüller gibt einen ausdrucksstarken Evangelisten und Ekkehard Abele vereint in den Christusworten jugendliche Kraft mit einer bereits in die andere Welt entrückten Erhabenheit. Im Solistenquartett der Arien entsteht ein reicher Kosmos der Affekte: Klaus Mertens vermittelt mit ebenmäßiger Stimmführung Innigkeit und Fassung, der leidenschaftliche Tenor Paul Agnew hingegen kündet vom Aufruhr der gepeinigten Seele. Die hohen Stimmen zeigen weniger stark ausgeprägte Kontraste; der gerade Sopran von Cornelia Samuelis bleibt jedoch nicht körperlos, sondern strahlt makellose Sinnlichkeit aus, und Bogna Bartosz’ warmer und kräftiger Alt kündet gleichermaßen von Leidenschaft und Ernst. So könnte man den vier Stimmen durchaus allegorische Rollen zuteilen: dem Bass das „Gottvertrauen“, dem Tenor die „Verzweiflung“, dem Sopran den „Glauben“ und dem Alt die „Ergebenheit“. Bachs dramatische Gestaltung der Leidensgeschichte Jesu schließt immer eine tiefe musikalische Reflexion der christlichen Glaubenswahrheit mit ein, dass im Opfertod Jesu die erlösende Heilstat Christi geschieht; innig verwebt der Komponist die bestürzende biblische Schilderung mit der Verkündigung der Heilsbotschaft, die in dieser Geschichte offenbar wird.
Die Furcht der konservativen geistlichen Obrigkeit in Leipzig, dass die Kirchenmusik in der streng lutherischen Stadt „zu opernhafft herauskomme“, war bei Johann Sebastian Bach völlig unbegründet – das macht noch heute, fast dreihundert Jahre nach der ersten Aufführung, Ton Koopmans Interpretation deutlich, die den leidenschaftlichen Aspekten des Werkes ebenso gerecht wird wie seiner tiefen Verwurzelung in Glauben und Frömmigkeit der lutherischen Religion.
Detmar Huchting [07.04.2006]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Johann Sebastian Bach | ||
1 | Matthäus-Passion BWV 244 |
Interpreten der Einspielung
- Jörg Dürmüller (Evangelist - Tenor)
- Ekkehard Abele (Christus - Baß)
- Cornelia Samuelis (Sopran)
- Bogna Bartosz (Alt)
- Paul Agnew (Tenor)
- Klaus Mertens (Bass)
- The Amsterdam Baroque Orchestra and Choir (Chor und Ensemble)
- Ton Koopman (Leitung)