Shostakovich
Complete String Quartets
OehmsClassics OC 562
5 CD • 6h 10min • 2005
29.09.2006
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Eines muß man dieser Produktion lassen: Sie verrät schon in der äußeren Aufmachung, was uns beim Hören erwartet. Wir sehen Dmitri S. durch die Brille des Malers Jakob Glikman – ein kantiges Männlein mit verkniffenen, beinahe zahnlosen Zügen auf dem Cover, und ein verschrecktes kleines Gespenst auf der Rückseite des Booklets, bemitleidens- und bedauernswert, anämisch, mit dürren Ärmchen und einer Gebärde, als hätten eben Stalins Schergen an seine Tür gehämmert.
Diese Bilder erweisen sich bei Begutachtung des musikalischen Inhalts weitgehend als Programm. Und so vergehen rund sechs Stunden, in denen sich die Interpreten selten einmal über den anscheinend bewußt schmalbrüstig gehaltenen Ensembleklang erheben, in denen weder die ganz großen Ausbrüche oder die klassizistischen Schrullen wirklich ausgekostet, ausgespielt und ausgeformt würden. Dort, wo’s idyllisch wird, scheinen die Damen und der Herr des Rasumowsky-Quartetts noch am besten aufgehoben; zudem gehen ihnen die leichtgewichtigeren Galoppaden ganz ansprechend von der Hand – und zwischendurch, so etwa am Ende des siebten Quartetts oder im zweiten Satz des Zehnten, wo man sogar sogar einige jener bissigen Momente realisiert findet, von denen die Partituren überquellen.
Wenn aber Schostakowitsch in seinem Opus 110, diesem ins Sarkastische verzerrten „Anti-Heldenleben“, vor lauter Eitelkeit und Selbstgefälligkeit kaum noch laufen kann, und wenn man im zweiten Satz des Zwölften einen alten Mann vor sich sieht, der froh ist, daß er sich überhaupt noch über irgend etwas aufregen kann, dann scheinen mir da doch einige Mißverständnisse vorzuliegen. Daran können weder der aufführungspraktische Hinweis, daß man sich bei der Aufnahme an die urtextlichen Temporelationen gehalten habe, noch das beigefügte Plädoyer Maxim Schostakowitschs für diese Interpretationen etwas ändern: Immer wieder fehlen die Facetten des mutigen Komponisten, die kaum verborgene Angriffslust, der ätzende Spott ...
Dennoch gibt es vor allem im vorletzten Quartett Momente von ergreifender Schönheit, verstummen alle Einwände vor dem beklemmenden Opus ultimum: Das monoton-wütende Bohren, das so beängstigend nach den Signalen einer Intensivstation klingt, die völlige Rücksichtslosigkeit des schmerzlich ausgedünnten, weil physisch schmerzenden Notensatzes – das ist über jeden Zweifel erhaben.
Vielleicht sollte man, wenn erst einmal das Jubiläumsjahr vorbei ist, die gelungensten Stücke umkoppeln? Dann müßten auf jeden Fall die beiden Quartett-Arrangements op. 36, eine Arie der Katerina Ismailowa und die unverwüstliche Polka aus dem Ballett Das goldene Zeitalter, berücksichtigt werden.
Rasmus van Rijn [29.09.2006]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Dimitri Schostakowitsch | ||
1 | Streichquartett Nr. 1 C-Dur op. 49 | |
2 | Streichquartett Nr. 2 A-Dur op. 68 | |
3 | Streichquartett Nr. 3 F-Dur op. 73 | |
4 | Streichquartett Nr. 4 D-Dur op. 83 | |
5 | Streichquartett Nr. 5 b-Moll op. 92 | |
6 | Streichquartett Nr. 6 G-Dur op. 101 | |
7 | Streichquartett Nr. 7 fis-Moll op. 108 | |
8 | Streichquartett Nr. 8 c-Moll op. 110 | |
9 | Streichquartett Nr. 9 Es-Dur op. 117 | |
10 | Streichquartett Nr. 11 f-Moll op. 122 | |
11 | Streichquartett Nr. 10 As-Dur op. 118 | |
12 | Streichquartett Nr. 12 Des-Dur op. 133 | |
13 | Streichquartett Nr. 13 b-Moll op. 138 | |
14 | Adagio fis-Moll op. 36 Nr. 1 (Elegy, Transkr. der Arie aus der Oper Lady Macbeth of Mzensk, 1931) | |
15 | Allegretto op. 36 Nr. 2 (Polka aus dem Ballett Das goldene Zeitalter) | |
16 | Streichquartett Nr. 14 Fis-Dur op. 142 | |
17 | Streichquartett Nr. 15 es-Moll op. 144 |
Interpreten der Einspielung
- Rasumowsky Quartett (Ensemble)