cpo 777 109-2
1 CD • 66min • 2004
10.02.2006
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
„Wilde Taten und Sonaten“ überschreibt Eckhardt van der Hoogen seinen hinreißend-witzigen, engagierten und höchst informativen CD-Beitext, der einfach so geschrieben ist, wie man ihn sich für jede CD wünschte und der insofern hier einmal im Start-Satz einer Besprechung genannt sein sollte! Aber nicht weniger universell, technisch-perfekt, emotional-packend und analytisch-strukturiert zeigen sich hier auch die gar nicht so norddeutsch-kühlen Interpreten dieser noch immer für manchen Hörer zwielichtigen Musik, deren geistige Intention auf eine ganz andere Moderne zielte und deren jazzige und lebensnahe Gestik dem intellektuell-avantgardistisch verspannten Europäer noch immer wie „Folklore“ vorkommt. Daß diese ganz vom rhythmischen Impuls initiierten Musikformen musikgeschichtlich noch immer als eine skurrile Facette des Neoklassizismus abgetan werden, liegt an dem eurozentrierten (a)-tonalitätshörigen Blickwinkel, dessen Verdikt ja auch entsprechende Werke von Milhaud oder Strawinsky trifft. Aber zurück – es sind genau die hier eingespielten Werke, mit denen George Antheil Anteil an einer Musikgeschichte hat, die dann im amerikanischen Minimalismus weitergeschrieben wurde und in der auch die Rolling Stones und europäische Ba/Rock-Musiker ihren Platz haben! Und natürlich der 10. April 1927, wo Antheils Jazz Symphony zusammen mit seinem Ballett méchanique in der Carnegie Hall zu hören war, bis sie in den Windgeräuschen eines Flugzeugmotors unterging, so daß den Hörern die Programme davonflogen!
Es ist schön, daß auf dieser CD die Musik ein wenig ungefährlicher zu hören ist, aber Markus Beckers eben nicht neoklassizistisch-eckiges, sondern im filigranen Drive glasklar strukturiertes Klavierspiel dürfte dennoch manchen Hörer vom Hocker werfen. Wie in der ganz vom Klavier her gedachten Jazz Symphony fasziniert Becker auch in den beiden Klavierkonzerten durch den Grad an emotionalisierter Individualisierung, mit der er doch gerade auch die coolen und formelhaften Aspekte der Musik musikalisiert, ohne damit ihren rohen und oft sehr gegenständlichen Charakter zu verfälschen. Auch die knappen, vielschichtigen und keineswegs nur mechanischen Klaviersolo-Werke zaubert er mit unverhohlenem Witz und Charme aus dem Hut, etwa das abrupt gekappte plötzliche Accelerando in Death of machines oder den tristen Little Shimmy, dem nach 111 Sekunden die Luft ausgeht, was dem so feinen lyrischen (er kann’s auch!) Largo des 2. Klavierkonzerts nicht passiert, oder dem Can-Can, wo sich Antheil allerdings erst aus ein paar neoklassizistischen Leerlauf-Formeln befreien muß, bevor die Fahrt los geht...
Hans-Christian v. Dadelsen [10.02.2006]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
George Antheil | ||
1 | Klavierkonzert Nr. 1 | |
2 | Klavierkonzert Nr. 2 | |
3 | A Jazz Symphony | |
4 | Jazz Sonata | |
5 | Can-Can | |
6 | Sonatina | |
7 | Sonatina The Death Of Machines (1923) | |
8 | Little Shimmy |
Interpreten der Einspielung
- Markus Becker (Klavier)
- NDR Radiophilharmonie (Orchester)
- Eiji Oue (Dirigent)