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Besprechung CD

BIS 1483

1 CD • 70min • 2004

01.12.2005

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 2
Klangqualität:
Klangqualität: 7
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 4

Daß ich mich nach dem dritten Versuch, auf dieser CD auch nur etwas Positives zu hören, wie ein Ertrinkender an meine Favorit-Aufnahme des Werkes klammerte – das geschah einzig deshalb, weil ich es nicht länger ertragen konnte, wie diese große, zugegebenermaßen schwierige Komposition vor meinen Ohren förmlich massakriert worden war.

Was war geschehen? Einmal hatte ich die gesamten 69 (in Worten: neunundsechzig) Minuten dieser Aufnahme stoisch über mich ergehen lassen. Dann vorsorglich – Kritik sollte bei einem selbst beginnen – einige Zeit später noch einmal begonnen: Es hätte ja der falsche Zeitpunkt für die Anhörung eines solch bekenntnishaften Riesengebildes sein können. Dabei fiel ich allerdings schon im ersten Satz, sinnigerweise gerade bei Buchstabe C, ins Coma. Und auch der dritte Anlauf scheiterte, obwohl ich meine Augen nicht mehr von der Partitur ließ und inständig hoffte, ich würde durch eine jähe Eingebung begreifen, wie jemand, der eine wirklich kenntnisreiche Einführung geschrieben hat, bei der Aufführung all das, was da steht, vergessen kann.

Wenn ich feststelle, daß die vorgeschriebenen Tempi des Kopfsatzes weitgehend korrekt sind, ist der einzige Pluspunkt bereits genannt – und der auch nur unter Vorbehalt, denn fast eine halbe Stunde scheint mir ein wenig üppig bemessen. Doch wäre das natürlich kein Bewertungskriterium, wenn dieses gewaltige Adagio hier nicht die Innenspannung eines mißratenen Soufflets aufwiese. Und das fällt nicht irgendwann in sich zusammen, sondern schon gleich beim Beginn des scharfkantigen Motto-Themas wird derart lasch musiziert, daß das nie und nimmer eine Tragödie, besser: nicht die vom Komponisten gewollte Tragödie werden kann. Dazu kommt eine nachgerade fahrlässige Sorglosigkeit im Umgang mit dynamischen Schattierungen und klaren Artikulationsangaben. Allein die Befolgung dessen, was „da steht”, hätte mancherlei Ungemach gelindert: Eine punktierte Achtel etwa mit nachfolgender Staccato-Sechzehntel ist an Klarheit eigentlich kaum zu übertreffen und phrasiert sich praktisch von selbst. Läßt man den kleinen Punkt jedoch weg, ist die Kantenschärfe des Motivs dahin. Und streicht man die aufsteigenden Viertel am Anfang des ersten Scherzos derart in die Breite, wie es Mark Wigglesworth hier tut, dann wird aus der grausamen Attacke (von der er ja, und das ist das Unbegreifliche, selbst in seinem Text spricht) ein latschiges Herumgetrete, das durch unmotivierten agogischen Schnickschnack auch noch den letzten Rest Aggressivität verliert.

Leicht konnte ich mir da schon ausrechnen, wie der nachfolgende Mittelsatz, diese Folter in e-Moll, geraten würde. Es wurde aber noch ärger, denn nicht nur das Tempo ging in die Breite, nein, zu allem Überfluß verkamen auch noch die grausamen Schmerzensschreie der Bläser in dem schmalbrüstigen Raumklang zu einem anämischen Piepsen, und dann war es so weit: Ich griff zu „meiner” Achten mit Bernard Haitink und dem Concertgebouw Orkest – und hatte glücklicherweise nach einigen Augenblicken vergessen, was mir zuvor beschieden ward.

Nun, wird man einwenden können, das Leiden, das der Komponist hörbar machen und anprangern wollte, hätte der Dirigent womöglich dahingehend umsetzen wollen, daß wir, wenn schon nicht unter einem Diktator, so doch wenigstens unter der Interpretation zu leiden hätten.

Das wäre eine schöne Theorie im Vergleich mit dem, was mir noch bevorstand: eine solche Beerdigung erster Klasse nämlich formulieren zu müssen, wie sie hier unumgänglich ist. Und zwar deswegen unumgänglich, weil es hier ganz objektive Kriterien gibt, an denen sich nicht rütteln läßt. Ein Glücksfall für den Rezensenten? Ich danke für solches Glück und kann nur hoffen, daß ich eines schönen, nicht zu fernen Tages eine andere Aufnahme des Dirigenten werde loben dürfen.

Rasmus van Rijn [01.12.2005]

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