OehmsClassics OC 605
1 SACD • 53min • 2004, 2005
04.01.2006
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Seit Roger Norrington mit den London Classical Players vor 20 Jahren habe ich Beethoven in historisch informierter Aufführungspraxis nicht mehr so aufregend gehört wie hier. Das Basler Kammerorchester erweist sich hier als vorbildlich vielseitig – besonders, wenn man dessen vor kurzem erschienene, nicht weniger kompetente Einspielung mit Balletten von Aaron Copland unter Christopher Hogwood zum Vergleich einmal dagegen setzt (Arte Nova 82876 50693 2). Beethoven musiziert es zwar nicht durchweg auf alten Instrumenten, aber die Streicher ziehen umsponnene Darmsaiten auf, spielen auf alten Bögen, außerdem werden Natur-Hörner und -Trompeten sowie – dem Höreindruck nach – Pauken mit Naturfell-Bespannung verwendet. Ein derart flexibles Kammerorchester ist sicherlich der Traum eines jeden Dirigenten, der auf zeitnahe Aufführungspraxis von Komponisten aller Epochen großen Wert legt – sicher auch für Giovanni Antonini, der hier für Beethoven ein Traum-Ensemble vorgefunden hat. (Bekannt geworden ist Antonini allerdings insbesondere durch seine Leitung des Barock-Orchesters Il Giardino Armonico, das er als Flötist mitgegründet hatte.)
Antonini kennt seinen Beethoven hörbar genau: Geistige Durchdringung der formalen Probleme, glückliche Lösungen der heiklen Tempo-Fragen, genaue Kenntnis der Affekte, fast kein Vibrato der Streicher und sogar die erforderlichen handgestopften Töne der Naturhörner prägen sein Musizieren. Auch all die kleinen heiklen Stellen im Zusammenspiel, die Orchestern oft das Leben schwer machen, kommen hier wie selbstverständlich immer richtig – zum Beispiel der Übergang zum Finale der ersten Sinfonie mit der zögerlichen Einleitung und dann der berühmen “Mannheimer Rakete” (Tr. 4). Heftig zupackend, geradezu elektrisierend ist das Beethoven-Spiel des Basler Kammerorchesters, mit seidig-transparentem (manchmal vielleicht eine Spur zu scharfem) Klang der Streicher, lupenreinen Holzbläsern und glanzvollen Blechbläsern. Ein Beethoven also, der wo immer nötig mit ansteckend revolutionärem Feuer daher kommt – man höre nur einmal die unvermittelten Ausbrüche gegen Ende des ersten Satzes der Zweiten (Tr. 5, ca. 10´30) –, aber in den langsamen Sätzen auch mühelos in das nötige, natürlich-ruhige Schwingen der Musik findet (Tr. 2 und 6). Die scharfen dynamischen Kontraste dieser Einspielung werden noch verstärkt durch die vorzügliche Akustik des Konzertsaals im Kultur und Kongreßzentrum Luzern. Schade ist allenfalls, daß der Klang ungeachtet seiner vorzüglichen Tiefenstaffelung, Breite und Räumlichkeit für meinen Geschmack etwas zu direkt abgenommen ist; außerdem sorgt ein kleines Quentchen zuviel an Hall dafür, daß manche Phrasierungen – insbesondere die penibel herausgearbeiteten Schwelltöne – mitunter allzu verwaschen geraten. Dennoch insgesamt eines der CD-Highlights des Jahres: Nach diesem fulminanten Einstand kann man nur wünschen, daß hier eine Gesamteinspielung der Beethoven-Sinfonien folgt.
Dr. Benjamin G. Cohrs [04.01.2006]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Sinfonie Nr. 1 C-Dur op. 21 | |
2 | Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 36 |
Interpreten der Einspielung
- kammerorchesterbasel (Orchester)
- Giovanni Antonini (Dirigent)