NCA 60148-210
1 CD/SACD stereo/surround • 71min • 2004
16.06.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Mit der Einspielung dreier berühmter Quartette Joseph Haydns stellt sich das in Leipzig situierte Gewandhaus-Quartett in eine großartige Aufführungstradition. Das Quartett könnte jedoch diese historische Konkurrenz schon durch einen bloßen Verweis auf seine eigene Geschichte kontern, geht doch die Formation auf das Zusammenspiel so illustrer Quartettfreunde wie Joseph Joachim und Ferdinand David zurück. In der heutigen Besetzung, die der Konvention gemäß aus den Konzertmeistern und den Solisten der Bratschen- und Violoncellogruppe des Leipziger Gewandhausorchesters gebildet wird, spielt das Ensemble seit 1993. Wiewohl das Gewandhausquartett also auch schon eine ganz eigene, persönliche Konzertgeschichte erworben hat – die unter anderem zum Jahrespreis der deutschen Schallplattenkritik 2004 führte –, setzt es in dieser kleinen Haydn-Anthologie nicht auf bereits gewonnene Lorbeeren. Die vier Leipziger Herren bieten schnörkelloses, mehr als solides Quartettspiel. Nach magischen, quasi impressionistischen oder an den Möglichkeiten der Moderne geschulten Klangwirkungen hört man sich zwar vergebens um. Auch geht das Ensemble als Reaktionseinheit sicherlich zu zögerlich mit der Dynamik um. Hier befolgen sie nicht unbedingt beherzt die teilweise irritierenden Vorgaben Haydns, der etwa im Adagio des „Sonnenaufgang-Quartetts“ B-Dur op. 76,4 einzelne Instrumente gerne mit Crescendi und Decrescendi hervortreten ließe. Solche vom Komponisten notierte Reliefwirkungen verschenkt das Gewandhausquartett. Das letzte Quentchen Sprach- und Bildmächtigkeit ist diesen Interpretationen also versagt. Und doch wird deutlich mehr geboten als handelsübliches Mittelmaß, denn die vier Spieler fügen sich durchaus individualistisch zu einer Einheit, ohne in den Fehler vieler Orchestermusiker zu verfallen, zu pauschal das Streichertutti zu vertreten. Vielmehr pflegt das Gewandhaus-Quartett eine robuste, schlagkräftige Klangtotale, strichtechnisch und akustisch überaus intim angesiedelt. Deutlich wird das in einem Vergleich mit den jeweiligen Einspielungen aus der Gesamtaufnahme des Los Angeles Quartets (Philips 464 650-2), die deutlich üppiger definiert ist. Die Leipziger hingegen paaren ihre Zurückhaltung mit artikulatorischer Nüchternheit: Der langsame Satz aus dem Kaiserquartett C-Dur op. 76,3, der unsere spätere Deutschlandhymne bereits als melodisches Material enthält, dürfte selbst für Nationalskeptiker äußerst genießbar sein.
Prof. Michael B. Weiß [16.06.2005]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Joseph Haydn | ||
1 | Streichquartett d-Moll op. 76 Nr. 2 Hob. III:76 | |
2 | Streichquartett C-Dur op. 77 Nr. 3 Hob. III:77 (Kaiserquartett) | |
3 | Streichquartett B-Dur op. 76 Nr. 4 Hob. III:78 (Sonnenaufgang) |
Interpreten der Einspielung
- Gewandhaus Quartett (Ensemble)