Opus Arte OA 0915 D
3 DVD-Video • 5h 17min • [P] 2005
16.06.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Parsifal wurde in den zurückliegenden Monaten bei den Bayreuther Festspielen und an der Berliner Staatsoper Unter den Linden, traditionsgemäß zwei Zentren der Wagnerpflege, als Übungsprojekt für prominente Regie-Dilettanten mißbraucht. Der publizistische Wirbel um diese vermeintlichen Events konnte die künstlerischen Offenbarungseide jedoch nicht bemänteln. So gesehen kommt diese grundsolide, streckenweise durchaus faszinierende DVD-Produktion genau zum richtigen Zeitpunkt. 1999 für die English National Opera erstellt und später in San Francisco und Chicago nachgespielt, wurde Nikolaus Lehnhoffs Inszenierung im vergangenen Jahr in Baden-Baden in neuer Besetzung wieder aufgenommen, denn das dortige Festspielhaus bot technisch die idealen Bedingungen für eine filmische Aufzeichnung, die dem Regisseur schon lange am Herzen lag.
Lehnhoff stößt nicht unbedingt neue Türen in der Interpretationsgeschichte des Werkes auf, aber er erzählt die Fabel schlüssig und auch für den Uneingeweihten nachvollziehbar, und das ist schon mehr als man in Zeiten des sogenannten „Regietheaters“ in der Regel erwarten kann. Einleuchtend ist der konzeptionelle Ansatz, die Gralsritter als eine dekadente Gesellschaft zu zeigen, die nur noch sinnentleerte Rituale zelebriert. Konsequent ist die daraus gezogene utopische Folgerung (die nicht in Wagners Libretto vorgesehen ist!), Parsifal und Kundry am Ende zueinander zu führen und in eine neue, möglicherweise bessere Welt aufbrechen zu lassen.
Lehnhoffs Regie zeichnet sich durch eine genaue, sparsame Personenführung aus, in der auf überflüssigen Aktionismus verzichtet wird. Auch die Kamera steht immer im Dienste des Werkes und der Inszenierung. Daß das Auge dabei nicht zu kurz kommt, verdankt sich den farbenfrohen und fantasievollen Kostümen von Andrea Schmidt-Futterer.
Die Presse war sich bei der Premiere in Baden-Baden ziemlich einig, daß diese Produktion auch in musikalischer Hinsicht Bayreuth auf den zweiten Rang verwiesen hat. Dabei ist das Dirigat Kent Naganos in seiner analytischen Klarheit, seiner Absage an falsches Weihepathos dem Konzept von Pierre Boulez durchaus zu vergleichen. Doch die Sängerbesetzung läßt das Mittelmaß, das auf dem Grünen Hügel seit langem zur Norm geworden ist, weit hinter sich. Waltraud Meier, ehemaliger Bayreuth-Star, hat in Kundry die Rolle ihres Lebens gefunden, sie spielt sie in allen denkbaren Facetten aus und singt sie nach mehr als 20 Jahren geschmeidiger und betörender denn je. Matti Salminen war der bedeutendste Interpret des Gurnemanz in seiner Generation und ist es immer noch. Auch wenn die Stimme jetzt erste Verschleißerscheinungen erkennen läßt, bleibt die szenenbeherrschende Autorität und die intelligente Durchdringung des gesungenen Wortes ein Ereignis. Thomas Hampson verbindet als Amfortas die Distinktion des erfahrenen Liedsängers mit der Fülle und Legatokultur eines auch im italienischen Fachs erfahrenen Baritons. Der völlig unangestrengt singende Tenor Christopher Ventris ist nicht nur als tumber Tor auf den Punkt besetzt, sondern auch als charismatischer Führer in eine bessere Zukunft.
Ekkehard Pluta [16.06.2005]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Richard Wagner | ||
1 | Parsifal |
Interpreten der Einspielung
- Christopher Ventris (Parsifal - Tenor)
- Waltraud Meier (Kundry - Sopran)
- Matti Salminen (Gurnemanz - Baß)
- Thomas Hampson (Amfortas - Bariton)
- Tom Fox (Klingsor - Baß)
- Bjarne Thor Kristinsson (Titurel - Baß)
- Festspielchor Baden-Baden (Chor)
- Deutsches Sinfonieorchester Berlin (Orchester)
- Kent Nagano (Dirigent)
- Nikolaus Lehnhoff (Inszenierung)
- Raimund Bauer (Bühnenbild)
- Andrea Schmidt-Futterer (Kostüme)
- Duane Schuler (Licht)
- Denni Sayers (Choreographie)