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1 CD/SACD stereo • 54min • 2003
05.11.2004
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Brahms ging nicht nur als einer der konsequentesten, sondern auch selbstkritischsten Komponisten in die Musikgeschichte ein. So gesehen können seine beiden Cellosonaten ähnlich wie seine Streichquartetten als Essenz seiner Beschäftigung mit dieser Besetzung betrachtet werden. Ständig das Vorbild Beethoven vor Augen, gelang es Brahms, die Konzentration der Beethoven’schen Kompositionstechnik mit dem subjektiven Aussagereichtum der Romantik zu verknüpfen.
Die hier vorliegenden Darstellungen stützen sich auf die ausgeprägte Polarität der beiden 1862/65 und 1886 geschriebenen Werke. Wird die erste Sonate als ein zumeist in sich gekehrtes, dunkles und nachdenkliches Werk präsentiert, so dominieren im e-Moll-Schwesterwerk aufgewühlte Klangfarben und Kontrastreichtum.
Opus 38 beginnt ausgesprochen weich, dunkel und zurückhaltend. Das samtig tiefe und ausgesprochen sonor klingende Cello scheint ganz in sich zurückgezogen, selbstvergessen in einen intimen Gesang vertieft. Diese Interpretationshaltung setzt sich auch in den mehr von Leidenschaft durchzogenen Passagen fort. Paradigmatisch für diese Interpretation steht dabei das Ende der Durchführung. Die Musik scheint sich hier beinahe aufzulösen und im Strom flüssig gewordenen Klanges zu versinken. Das Allegretto wird bestimmt durch einen ruhigen und natürlich dem Zeitverlauf folgenden Puls, gefolgt vom Finale, in dem sich die Musik trotz ihrer äußerlichen Lebendigkeit immer als überlegt und ausgewogen präsentiert. Eine melancholische und sehr herbstliche Brahms-Interpretation.
Opus 99 kann hier gewissermaßen als Antithese gelten. Das Cello und das von Pascal Devoyon sehr klar gespielte Klavier erscheinen nicht mehr wie zwei Pflanzen miteinander verwachsen, sondern beziehen verschiedene und durchaus auch gegensätzliche Positionen. Energisch bewegt präsentiert sich der Kopfsatz, wobei auch hier das Ende der Durchführung und der Übergang zur Reprise im Kopfsatz ungeheuer intensive Momente darstellen. Die Musik scheint sich hier fast körperlich erfahrbar ihrer eigenen Quelle – dem Klang von dunklen Erdfarben – bewusst zu werden. Ein Moment voller Wehmut und Kraft zugleich.
Im zweiten Satz ist die Spannung zwischen Klavier und Cello am stärksten spürbar. Während das Cello sich ganz dem Gesang hingibt, erzeugt Devoyons Klavierspiel eine nicht zu überhörende Unruhe, so als wolle er Wick daran erinnern, dass der Musik eine andere Bestimmung gegeben ist als in Opus 38. Aggressiv und vorwärtstreibend folgt dann das Allegro passionato, verbunden mit einem Finale, welches den Kontrastreichtum dieses Werkes noch einmal auskostet und mit gleichsam sonnigen, optimistisch heiteren Nuancen anreichert.
Die Qualität der Aufnahme überzeugt auch in herkömmlichen CD-Spielern, der Raum ist offen und transparent, das Klangbild ausgewogen und klar. Warum die chronologische Reihenfolge der beiden Werke vertauscht wurde, ist unklar, wirklich schlüssig ist es nicht. Doch sind beide Werke ohnehin so intensiv, dass sie nur mit zeitlichem Abstand gehört werden wollen.
Robert Spoula [05.11.2004]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johannes Brahms | ||
1 | Sonate Nr. 2 F-Dur op. 99 für Violoncello und Klavier | |
2 | Sonate Nr. 1 e-Moll op. 38 für Violoncello und Klavier |
Interpreten der Einspielung
- Tilman Wick (Violoncello)
- Pascal Devoyon (Klavier)