Naxos 8.554669
1 CD • 70min • 1999
22.10.2003
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Konstantin Scherbakov zählt zu den wenigen Pianisten, die Rachmaninoffs Gesamtwerk für Klavier „parat“ haben – das heißt: für den Konzertgebrauch an mehreren, womöglich an vier Abenden und nicht nur theoretisch auf Anfrage und mit gehöriger „Lieferfrist“. Wie vertraut er mit der schwierigen, bisweilen heiklen Materie ist, beweist er in diesen bereits fast vier Jahre alten Einspielungen aus dem DRS Radiostudio Zürich. Scherbakov besitzt die nötigen physischen und intellektuellen Kräfte, um den Gang der Dinge zu bändigen, wenn nötig begründet aufzubauschen. Nichts entgeht in den substanziell nicht durchweg hochkarätigen, pianistisch aber stets interessanten Chopin-Variationen seinem analysierenden Auge, nichts unterläßt er, um bei aller Forderung zur klanglichen Verschmelzung die Maxime der Klarheit, des Klärenden zu beachten.
Im Fall der Morceaux de fantaisie op. 3 darf man sich immer wieder bedanken, wenn man das berühmte, fast schon verruchte cis-Moll-Prélude als Teil einer Werkreihe verfolgen und dann mit einem Mal ob seiner dunklen Passion und seiner thematisch-dramatischen Logik auch wieder bewundern darf. Losgelöst aus dem Zugabenmilieu mondscheinsüchtiger LP- und CD-Programme eröffnet das Stück seine Qualitäten als glockenschwere Klaviersakralmusik im Kontrast zu melancholischen, sehsnüchtigen, aber auch verwegen spritzigen Ausdrucksmustern im Rahmen einer fünfteiligen „Salonsonate“ - sofern man die formale Sachlage musikologisch einmal nicht allzu steif beschreiben möchte.
Im Umfeld der b-Moll-Sonate, die Scherbakov (leider!?) in der revidierten, als etwas verkürzten Form spielt, hätte ich mir an den entscheidenden Steigerungen eine Spur mehr „konzertantes“ Engagement, mehr Wagemut in Verachtung von Sauberkeit und statistischer Richtigkeit erwartet. Ich denke an Michael Ponti in seiner besten Podiumszeit, an die von Horowitz riskierte, allen Reinheitsgeboten verachtend zuwiderhandelnde Version, aber auch an Zoltán Kocsis’ bis an die Grenzen expressiver Möglchkeit „ausgreifende“ Einspielung (der ersten Fassung!). Dieser atmosphärische Einwand ändert freilich nichts an der grundlegenden Wertschätzung, die Scherbakovs Aufnahme genießen darf. Sie bestätigt ihn als einen der führenden Pianisten der mittleren Generation, dessen schier unbegrenzte Möglichkeiten ihn vielleicht bisweilen dazu verleiten, sie selber etwas einzugrenzen.
Vergleichsaufnahme(n): Sonate Nr. 2: Kocsis (Philips 446220-2), Kamenz (Ars musici 1263-2), Horowitz (Philips 456844-2), Van Cliburn (Philips 456748-2), Berthold (Naxos 8.551074)
Peter Cossé † [22.10.2003]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Sergej Rachmaninow | ||
1 | Variationen über ein Thema von Chopin op. 22 | |
2 | Morceaux de fantaisie op. 3 (Fünf Fantasiestücke, 1892 - Élégie op. 3 Nr. 1, Prélude op. 3 Nr. 2, Mélodie op. 3 Nr. 3, Policinelle op. 3 Nr. 4, Sérénade op. 3 Nr. 5) | |
3 | Klaviersonate Nr. 2 b-Moll op. 36 |
Interpreten der Einspielung
- Konstantin Scherbakov (Klavier)