
BIS BIS-CD-946
1 CD • 69min • 1997
01.08.1998
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Daß Bruckner-Bearbeitungen auf der Orgel nicht nur spannende Einblicke in die Komponistenwerkstatt bieten, sondern mitunter auch einen hohen ästhetischen Reiz haben, zeigten schon die Grundlagen-Forschungen von Erwin Horn, der seine Transkriptionen einzelner Sinfonie-Sätze und Bruckner-Improvisationen seit Jahren erfolgreich im Konzert und auf CD spielt. Der Ruhm der ersten komplett transkribierten Sinfonie freilich kommt dem Wiener Thomas Schmögner zu, der 1994 eine in jeder Hinsicht mustergültige und aufregende Einspielung der Vierten (Fassung 1878/80, Nowak) an der Cavaillé-Coll-Orgel der Pariser Madeleine vorlegte. Seit- dem sollte man nicht über den grundsätzlichen Wert solcher Versuche streiten, zumal Bruckner jahrelang als Orgelsachverständiger arbeitete und sogar im Ausland konzertierte – unter anderem an der brandneuen Dampforgel der Albert Hall in London und an Pariser Orgeln von Cavaillé-Coll, den er sogar in seiner Werkstatt besuchte. Freilich bietet das Orchester eine Ausdrucksvielfalt, die der Orgel, sei sie auch noch so sinfonisch disponiert, schlicht abgeht. Diese Grenzen zeigte schon Schmögner auf. Leider ist seine CD nicht über offizielle Vertriebe erhältlich (CD 009, Edition Lade, Postfach 1, A-6932 Langen/Bregenz). Die BIS-CD darf sich also erste "offizielle" Produktion einer Bruckner-Sinfonie auf der Orgel nennen. Das Ergebnis ist gleichwohl eine Katastrophe. Das hat weniger mit der grundsätzlichen Darstellbarkeit dieser Sinfonie auf der Orgel zu tun, die Rogg in nur 69 Minuten herunterbrettert (üblich sind etwa 80 Minuten Dauer). Allein das Scherzo ist leidlich gelungen. Geradezu ein Verbrechen ist der Rest. Tempo-Kontinuität gibt es nicht; Adagio und Finale durchzieht eine willkürliche, stete Beschleunigung. Wozu die Riesensprünge im Finale, in der Partitur von Z bis Aa (Tr. 4, 10'40) sowie Hh bis Mm (13'26)? Größe und Schönheit der Sinfonie bleiben in Roggs inkompetenter Bearbeitung restlos auf der Strecke. Schier unerklärlich sind auch etliche Fehl-Registrierungen: Warum kommt z. B. bei Tr. 1, 0'18 ein Achtfuß hinzu? Warum wird ein Orchestertutti im fortissimo wie bei 0'53 nicht Organo Pleno realisiert? Warum wird das Schwellwerk stets so stümperhaft gehandhabt (z.B. 1'03)? An solchen Stellen scheint übrigens auch die Tontechnik nachzupegeln: Warum sonst ändert sich dann stets die ganze Abbildung des Klangs im Raum? Wie Rogg ab Tr. 1, 1'53 keine einzige Triole rhythmisch korrekt ausführt, jede erste Note überdehnt, innerhalb von Phrasen gewaltige accelerandi macht und auch anderswo durch die Musik holpert, ist schier unerträglich und mitunter voller falscher Noten. Grundsätzliche Probleme der Interpretation anzusprechen, scheint hier fast unangebracht. Trotzdem ein Beispiel: Wenn Bruckner vom Schluß des ersten Satzes als einer "Totenuhr: Das Leben strömt aus, nur die Uhr schlägt weiter, Tik, tak..." spricht, versteht er nicht nur allegro moderato als ein Schlag pro Sekunde, sondern sagt auch, daß ein ritardando im letzten Takt unangebracht ist, denn eine Uhr ritardiert nicht, wie Rogg es tut. Dazu paßt auch das worthülsige Booklet, das nicht einmal mitteilt, welche Ausgabe Rogg verwendete.
Dr. Benjamin G. Cohrs [01.08.1998]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Anton Bruckner | ||
1 | Sinfonie Nr. 8 c-Moll WAB 108 (Fassung 1892/Ed. Nowak/II)) |