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ARD-Musikwettbewerb Ein Fenster zu... Kompass

ARD-Musikwettbewerb

Trompeten-Virtuosität

Semifinale im Fach Trompete beim 74. Musikwettbewerb der ARD

Traditionell besteht ein Semifinale immer aus dem Vortrag eines klassischen Konzerts und der Uraufführung der zeitgenössischen Auftragskomposition des ARD-Musikwettbewerbs für das jeweilige Fach. Bei den Trompetern sind es diesmal jedoch quasi drei Auftragskompositionen, da sie die Wahl zwischen den Konzerten von Joseph Haydn und Johann Nepomuk Hummel haben, die beide im Auftrag des Wiener Hoftrompeters Anton Weidinger für die von diesem erfundene Klappentrompete entstanden. Beide Werke sind Pfeiler des Repertoires und bei jedem Probespiel gefordert, da sie neben Virtuosität eine fein abgestufte Dynamik, sowie flexible Tonbildung verlangen und jede kleine Ungenauigkeit sofort auffällt. Dabei ist das Konzert von Hummel das technisch anspruchsvollere Werk. Allerdings bietet nur Haydn die Möglichkeit Eleganz und Geschmack in einer Solokadenz zu demonstrieren.

Vorab ein großes Lob für das Münchener Kammerorchester und seine Konzertmeisterin Yuki Kasai, das trotz sechsmaligem Mozart am Vortag die Solisten wieder höchst aufmerksam und inspirierend unterstützte.

„Savoir comment“ oder „Gewusst wie“

Der diesjährige Kompositionsauftrag für Trompete ging an belgische Komponistin Annelies van Parys, die am Königlichen Konservatorium in Brüssel Komposition unterrichtet. Sie schrieb ein achtminütiges Solostück, das in seinen vier ineinander übergehenden Abschnitten die Form der Sonata da chiesa mit der Satzfolge Langsam-Schnell-Langsam-Schnell aufgreift. Das Werk hebt geheimnisvoll mit Lufgeräuschen an, strukturiert von fallenden Intervallen, die im Forte normal geblasen werden und wie Seufzer wirken, sowie von Figuren, die mit nur halb gedrückten Ventilen gespielt werden (half valve). Der erste schnelle Abschnitt hat Toccatencharakter. Er gewinnt seinen Reiz aus dem Klangunterschied zwischen offenem Spiel und der Verwendung eines Harmon-Dämpfers, der den Klang geisterhaft schwirren lässt. Der zweite langsame Abschnitt gibt sich mit Quartenmotivik lyrisch. Das Scherzando-Finale verfremdet den Trompetenton mit einem Plunge-Filter. Dessen Urahn dürften viele von uns daheim in Form der normalerweise mit einem Stock versehenen Saugglocke aus Gummi schon zur Abflussreinigung genutzt haben. Insgesamt ein höchst anspruchsvolles Werk voller zeitgenössischer Effekte, das aber aufgrund seiner klaren Struktur nachvollziehbar und dadurch verständlich bleibt.

Sechs Trompeter zwischen Haydn und Hummel

Robin Paillet aus Frankreich ging sein Hummel-Konzert ruhig und bedachtsam an, was durchaus der historischen Aufführungspraxis entsprechen dürfte, da die Klappentrompete extrem schnelle Tempi nicht zuließ. Die Kantilene des Andante erfüllte er mit sängerischem Gestus und brachte mit einem ungemein lustvoll-schwungvollen Finale den Saal zum Toben. Besonders gefiel mir seine kammermusikalisch sensible Delikatesse und die genaue Beachtung der Dynamik. Auch in savoir comment agierte er durchdacht und souverän.

Josép Gómez Alemany aus Spanien setzte in Haydn-Konzert stärker auf Lautstärke und Kraft. Darunter litt die dynamische Differenzierung erheblich und Töne unterhalb eines Mezzoforte kamen so gut wie nicht vor. Möglicherweise hatte er seine Rechnung ohne Rücksicht auf den spärlich besetzen Saal gemacht. Trotzdem ist hier eine „schmetternde“ Kadenz eher fehl am Platz.

Höchst erfreulich hingegen Sandro Hirsch aus Deutschland, der seine Trompete im Haydn-Konzert mit der Sensibilität eines Klarinettisten behandelte. Durch den Aufbau der Motive aus dem Piano heraus gewann seine Phrasierung ungemein an Plastik. Seine Kadenz im Kopfsatz passte stilistisch hervorragend. Die Reprise im Siciliano-artigen Andante bekam die ihr zukommenden kleinen Ornamente und auch das Thema des Finalrondos wurde geschickt abgewandelt. Daneben war er in ständiger Kommunikation mit dem Orchester, dem ein solches Musizieren sichtlich Freude bereitete. Bevor er die Auftragskomposition begann, ließ er sich erst einmal Zeit, damit die Zuhörer dieses Anfangen wahrnehmen konnten. Abgesehen davon, dass seine Lufgeräusche im Saal nicht ankamen, eine sehr gut gestaltete Interpretation.

Musikalische Eleganz und kleine Ungenauigkeiten

Simon Binon aus Belgien wirkte in seiner Musizierhaltung etwas selbstgefällig. Auch gehörte er eher zu den Lautbläsern. Zudem unterliefen ihm kleine Unsauberkeiten in der für Haydn etwas zu pompösen Kadenz und eine leichte Ladehemmung bei der gemeinen Doppelzungen-Stelle. savoir comment wirkte bei ihm eher wie eine Pflichtübung, die man absolvieren muss.

Wiederum erfreulich das kantable Spiel von Raphael Horrach aus Frankreich im Hummel-Konzert. Er beachtete die dynamischen Anweisungen sorgfältig, was den von der Oper inspirierten Stil des Werks deutlich werden ließ. Bei ein paar Arpeggien hätte ich mir eine phantasievollere Artikulation denken können. Kleine Ungenauigkeiten sollte man aufgrund des grundmusikalischen Gesamteindrucks überhören. Auch gelang ihm die wohl beste Interpretation des Auftragswerks, weil es ihm gelang die geforderten Atemgeräusche wirklich musikalisch sinnvoll hörbar zu machen.

Musikalische Eleganz bot auch Lennart Czakaj aus Polen, der mit feiner Differenzierung und schlankem Ton gefallen konnte. Allerdings unterliefen ihm im Haydn-Konzert zu viele Ungenauigkeiten. Wenngleich er die virtuoseste Kadenz bot, verhinderten diverse schlecht angepackten, nicht sauber ansprechende Töne ein Weiterkommen. Die Auftragskomposition gelang ihm wiederum sehr überzeugend.

Somit werden im Finale Robin Paillet, Sandro Hirsch und Raphael Horrach unterstützt vom Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Sasha Scolnik-Brower mit Bernd Alois Zimmermanns Nobody knows the trouble I see um den 1., 2. und 3. Preis kämpfen. Dieser Entscheidung der Jury kann man sich nur anschließen.

Thomas Baack (10.09.2025)

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