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ARD-Musikwettbewerb Ein Fenster zu... Kompass

ARD-Musikwettbewerb

Mozart-Marathon

Erstes Semifinale beim 74. Internationalen Musikwettbewerb der ARD

Noch nicht einmal eine Woche ist vergangen und schon neigt sich die „Olympiade der Musik“ (Sir Simon Rattle) mit dem ersten Semifinale schon wieder seinem Ende zu. Diesmal gaben die Klarinettisten den Auftakt. Alle sechs aus den ersten beiden Durchgängen ins Semifinale berufenen Teilnehmer mussten den Wettstreit mit W. A. Mozarts A-Dur Konzert KV 622 unter sich auszumachen. Hierfür eignet sich das mal bukolische, mal melancholische, doch überwiegend fröhliche Werk deshalb so ideal, weil es sowohl farbliche Differenzierung, von großem Atem getragene Kantilenen als auch eine präzise Fingertechnik und saubere Artikulation vom Interpreten fordert. Alle sechs Konkurrenten – leider ohne deutsche Beteiligung – spielten auf extrem hohem Niveau, wobei sich zwei ungefähr gleichstarke Gruppen herausbildeten. Die einen spielten so, wie man Mozart gemeinhin spielt, das andere Kleeblatt ging individueller an das Werk heran.

Den Auftakt machte Agata Piatek aus Polen. Sie blies das Konzert tonschön und mit sattem dunklem Klang, wenngleich in den Staccati etwas überpointiert. Dies rächte sich in ein paar nicht sauber ansprechenden Tönen in der Vollhöhe. Davon abgesehen, gelang ihr eine seelenvolle Interpretation besonders des Mittelsatzes. Sie ließ allerdings die Gelegenheit auf die Fermate in Takt 127 des Kopfsatzes einen Eingang zu improvisieren aus. Physisch wirkte sie recht unruhig, was die Kommunikation mit dem Münchner Rundfunkorchester etwas beeinträchtigte.

Freude am Musizieren

Ersichtlichen Spaß am Musizieren, der auf das Publikum übersprang, hatte Lev Zhuravskii aus Russland. Er lebte förmlich in dem Stück und nahm auch in den Orchester-Tuttis vorbildlich am musikalischen Geschehen Anteil. Er ließ sich an den frei zu gestaltenden Stellen etwas einfallen, wobei besonders der Eingang zur Reprise im Mittelsatz gefiel. Spieltechnisch agierte er mit „fluffigen“ Staccati ohne unfreiwillige Akzente. Musikalisch überzeugte seine souveräne Phrasierung, die durch sehr geschickte kleine agogische Raffungen und Dehnungen den Motiven, aber auch dem Laufwerk Kontur gab. Meisterhaft, wie er aus drei wiederholten E’s eine Phrase gestaltete! Körperlich wirkte er gelegentlich etwas angestrengt, wie man dies eher von Oboisten kennt. Daran wäre noch ein wenig zu arbeiten. Zu Recht im Finale.

Andrea Caputo aus Italien war der charmante Don Giovanni des Sextetts. Seine helle, schlanke Tongebung betonte eher die elegant-heiteren Aspekte der Komposition. Darunter litt der plötzliche Wechsel der Affekte, der mir etwas nivelliert erschien und das Werk zu harmlos erscheinen ließ. Allerdings wirkte Alles ausgesprochen mühelos, was die Damenwelt unter den Zuhörern zu begeisterten Bravos animierte.

Halbzeitpause

Nach der Pause war nur noch der harte Kern der Zuhörer anwesend; wohl mehr als die Hälfte hatte nach einem Tripel Mozart genug. Auch ich werde im kommenden halben Jahr um dieses Konzert einen weiten Bogen machen. Aber Strafe muss sein, wer früher ging verpasste die besten Interpretationen.

Elad Navon aus Israel gehörte zu den Interpreten, die über weite Strecken das Konzert so spielten, wie man es gemeinhin erwartet. Allerdings gelangen ihm feine Beleuchtungswechsel in den Läufen, schöne Auszierungen bei den Fermaten. Auch sang er sehr innig in den lyrischen Abschnitten und war der Einzige, der die Terzenläufe in sauberem non legato artikulierte. An einigen Stellen entsteht bei kluger Artikulation ein Gespräch des Solisten mit sich selbst. Diese wurden ausgesprochen fein herausgearbeitet. Gegen Ende wirkte sein Musizieren zunächst etwas spannungslos, was aber durch eine ausgesprochen pfiffige Variation des Rondo-Themas, die zum Lachen reizte, wettgemacht wurde. Auch er ist zu Recht im Finale.

Fein ziselierte Interpretation

Noch lieber hätte ich allerdings Yan Maratka aus Frankreich in der Endrunde gesehen. Er hatte sich offensichtlich mit dem Klang der historischen Klarinetten auseinandergesetzt, der in der zweigestrichenen Oktave im Piano kaum von dem einer Flöte zu unterscheiden ist. Er bot die am feinsten ziselierte Interpretation des Konzerts mit absolut überzeugender Agogik, exzellentem Timing, dynamisch wunderbar belebten langen Tönen, einem souveränen Aufbau von Steigerungen und einer formidablen Atemtechnik. Auch gefiel mir seine Kommunikation mit dem Orchester von allen Teilnehmern am besten. Schade!

Als Zuhörer dachte man sich, uff, jetzt noch ein Durchgang und es ist vorbei. Da kam Hongyi Jiyang aus China und weckte bei allen durch sein schwungvoll-musikantisches Spiel erneut die Lebensgeister, was ihm auch das Finale einbrachte. Wer trotz Wasser in einer der vielen Klappen, das immer wieder zwischendurch entfernt werden musste, so souverän aufspielt, muss weiterkommen. Er verfügt von allen Interpreten über den prägnantesten Ton, der auf jeder dynamischen Stufe seinen Rohrblatt-Charakter behält. Ähnlich wie Lev Zhuravskii lebt er in dem Stück und kann dies kommunizieren. Daher bot ihm auch das Münchener Kammerorchester die aufmerksamste Unterstützung aller Semifinalisten und dies, nachdem es das Werk bereits fünf Mal zu begleiten hatte. Großes Kompliment an Konzertmeisterin Yuki Kasai! Schade nur, dass Ventilhörner anstatt der sonst mit so großem Gewinn eingesetzten Naturhörner zum Einsatz kamen.

Fazit: Lev Zhuravskii, Elad Navon und Hongyi Jiang bestreiten am 10. September das im Herkulessaal der Residenz das Finale mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Sasha Scolnik-Brower.

Thomas Baack (08.09.2025)

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