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Besprechung CD/SACD stereo/surround

Mozart The Travelling Whirlwind

Piano Sonatas
Michael Wessel

Ars Produktion ARS 38 378

1 CD/SACD stereo/surround • 75min • 2025

01.11.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Michael Wessel, Professor für Klavierspiel, Liedgestaltung und Methodik an der Hochschule für Kirchenmusik in Bayreuth, hat seine geplante Gesamteinspielung aller Mozart-Klaviersonaten thematisch angelegt: „Mozart the poet“, „Mozart the Double-Faced“ und „Mozart the Progressive“ nennen sich die Folgen, die hier vorliegende ist betitelt mit „Mozart the travelling Whirlwind“: Mozart, der reisende Wirbelwind. Versammelt sind darauf die Sonaten, die Mozart 1775 auf der Reise über Mannheim nach Paris komponiert hat, einer Reise, die er ohne den Vater antrat, aber mit der Mutter, die während dieser Reise in Paris starb. Ergänzt ist die Sammlung durch drei einzelnstehende Sonatensätze, die Mozart mit acht Jahren in London geschrieben hatte (KV15) und zwischen 1781 und 1783 in Wien (KV 400), wo seine Reisetätigkeit schon ihr Ende gefunden hatte. Wessel beschreibt die Sonaten im zweisprachigen Booklet ausführlich biografisch und musikologisch.

Mozarts formenreiche Flexibilität

Die „Mannheimer Sonaten“ KV 309 und KV 311 spielt Wessel voller Einfachheit, aber mit unbeschwerter Grazie, frei von Sentimentalität, aber durchaus affektgeladen, alles strahlt gewissermaßen vor Klarheit. Man kann die C-Dur-Sonate KV 309 wie seinerzeit Ingrid Haebler seelenvoller und ruhiger spielen: Wessler will wohl den Formkünstler Mozart zeigen, der eine veritable „formenreiche Flexibilität“ in der Handhabung der Sonatensatzform bewiest, wie es Siegfried Mauser in seinem Buch über Mozarts Klaviersonaten formuliert. Und deswegen will Wessel nicht viel „dazutun“, spielt Mozarts Pointen aus, aber ohne Überbetonung. Alles ist leicht, aber nicht leichtgewichtig, geistvoll und in den Finalsätzen fast schelmisch spritzig. Man könnte auch sagen: Michael Wessel spielt Mozarts Sonaten im besten Sinne „neutral“.

Unpathetisch und untragisch

Deutlicher wird Wessels Interpretations-Absicht in der a-Moll-Sonate KV 310. Er unterschlägt im Kopfsatz ein wenig das „maestoso“ in der Vortragsbezeichnung „Allegro maestoso“, will nicht den Ausdruck der „direkten Emotionalität der ungewöhnlichen Moll-Dramatik“, wie Mauser schreibt, verstärkt zum Beispiel nicht die schmerzreichen Vorhalte. In der Durchführung wird Wessel wesentlich energischer, ja fast wütiger, geht aber nicht bis zur tragödienhaften Unerbittlichkeit, bleibt insgesamt auch hier „neutraler“. Unpathetisch, untragisch bleibt Wessel auch im zweiten Satz, den Mozart ja deutlich „con espressione“ gespielt haben möchte: Wessel will wohl die „reine Musik“ ohne emotionale Zugabe des Interpreten. Erst in den Moll-Passagen wird Wessel eindringlicher und wuchtet dann die Bassstimme, die gegen die Monotonie der triolischen, durch Oktavsprünge durchsetzten Motivik in der Rechten ankämpft. Folgerichtig wirkt auch das Presto-Finale nicht so dämonisch-schattenhaft dahinhuschend, wie man erwarten könnte.

Schicksals-Tonart und Seufzer-Höhepunkte

Für mich am interessantesten sind die drei letzten Stücke, die isoliert dastehenden Sonatensätze – weil Wessel hier plötzlich wesentlich interpretierfreudiger, wesentlich nachdrücklicher, ja demonstrativer wird, als wolle er diese Stückchen rehabilitieren. So unterstreicht er mit Wucht die dauerlaufende Motorik im Sonatensatz g-Moll KV 15p und die Verwendung und das Ausprobieren des d-Moll, das erst später zu Mozarts „Schicksals-Tonart“ wird, in dem Siciliano KV 15u. Sehr schön beschreibt Wessel im Booklet den B-Dur-Sonatensatz KV 400/327a, in dessen Autograf Mozart die Vornamen „Sophie“ und „Costanza“ schreibt, ausgerechnet über einen Seufzer-Höhepunkt: Schwestern aus der Mannheimer Familie Weber, aus der Mozart schließlich Constanze heiratet. Und so hebt Wessel schön deutlich den unmotivierten Wechsel von scheinbarer Unbekümmertheit und Moll-Seufzern heraus, auch in der Durchführung die vollkommen neue Motivik, die an keiner Musik vorher Anhaltspunkte hat. Und Wessel ändert schließlich die Reprise, die Maximilian Stadler dem Torso hinzukomponiert hat, radikal um: ein weiteres Zeichen für sein gesteigertes Interesse an diesen einzeln stehenden Sonatenstückchen.

Aufgenommen wurden die Sonaten im Kulturzentrum Immanuel in Wuppertal, dessen Raumklang angenehm unauffällig mitschwingt. Manchmal sind für mich die Tonproduktionsgeräusche des Steinway-Flügels zu deutlich hörbar.

Rainer W. Janka [01.11.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Wolfgang Amadeus Mozart
1Klaviersonate Nr. 7 C-Dur KV 309 00:20:51
4Klaviersonate Nr. 8 D-Dur KV 311 00:18:39
7Klaviersonate Nr. 8 a-Moll KV 310 00:20:37
10Sonatensatz g-Moll KV 15p (aus dem Londoner Skizzenbuch des 8jährigen Mozart) 00:03:16
11Siciliano d-Moll KV 15u (aus dem Londoner Skizzenbuch des 8jährigen Mozart) 00:02:24
12Allegro B-Dur KV 400 00:07:58

Interpreten der Einspielung

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