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Besprechung CD

Elgar • Adès

Christian Tetzlaff • John Storgårds

Ondine ODE 1480-2

1 CD • 62min • 2024

28.10.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Christian Tetzlaff und Ondine – das ist seit vielen Jahren eine gewachsene Beziehung, die für Qualität bürgt. Viele der großen, kanonischen Violinkonzerte – von Beethoven bis Sibelius – sind mit ihm als Solisten schon bei dem finnischen Label erschienen. Nun haben der Geiger und sein mit ihm befreundeter Dirigent John Storgårds mit dem BBC Philharmonic Orchestra zwei Violinkonzerte „made in GB“ aufgenommen, die sich in geradezu idealtypischer Weise ergänzen: dasjenige von Edward Elgar (1857–1934), entstanden ziemlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts (1910), und das Concentric Path betitelte seines Landsmanns Thomas Adès (Jg. 1971), das dieser fast genau einhundert Jahre später (2005) für den Geiger Anthony Marwood schrieb.

Marwood hatte das Werk 2010 zusammen mit dem Chamber Orchestra of Europe unter der Leitung des Komponisten für EMI eingespielt (die CD ist vergriffen) und fünf Jahre zuvor in Berlin zur Uraufführung gebracht. Auch der Violinist Augustin Hadelich und das Royal Liverpool Philharmonic Orchestra unter Hannu Lintu haben Concentric Path auf CD vorgelegt, 2014 bei Avie Records. Auch dieses Album ist bei jpc nicht mehr gelistet. Die Lesart des 1966 in Hamburg geborenen Christian Tetzlaff braucht sich vor denen seiner beiden Kollegen nicht zu verstecken, im Gegenteil.

„… genial schön für die Geige geschrieben“ – Elgar

Der Booklet-Text zum Album verzichtet auf die an dieser Stelle sonst üblichen Werkerläuterungen und bringt stattdessen ein ausführliches Interview mit Christian Tetzlaff. Das ist sehr zu begrüßen, zumal die Hintergründe zu den Konzerten entweder schon oft erzählt wurden – besonders im Falle Elgars – oder leicht im Netz zu recherchieren sind. So erfahren wir viel über Tetzlaffs enge Beziehung zu den Werken, wie er sie für sich entdeckt hat, welche Bedeutung sie für ihn haben – und wie er sich selbst und seinen eigenen geigerischen Ansatz im Vergleich mit seinen großen Kollegen wie Albert Sammons oder Jascha Heifetz beurteilt, die Elgars Violinkonzert als eine der ersten Geigenvirtuosen auf Tonträger gebannt haben.

Neue Referenz-Aufnahme

„Ich habe mich wie immer daran orientiert, was in der Partitur steht“, sagt Tetzlaff. „Für mich ist der Rahmen wichtig. Was ich jetzt spiele, dauert in etwa 43 Minuten. [...]. Die [Aufnahmen von Sammons und Heifetz] sind 42 Minuten lang. Wenn man auf jüngere Aufnahmen schaut, sind 52 bis 55 Minuten ganz normal.“ Er, Tetzlaff, habe sich aber nicht „verführen“ lassen wollen, „etwas Großes noch größer zu machen [und] etwas Ausdrucksvolles noch mehr auszubreiten.“ Dieser „Drang zur Monumentalität und zum Weihrauch“ sei erst mit den 50er und 60 Jahre gekommen. Trotz oder, besser gesagt, gerade wegen Tetzlaffs Wahl vergleichsweise schnellerer Tempi ist ihm mit seiner Deutung des Werks eine neue Referenz-Aufnahme gelungen. Selten habe ich das Werk so konzise, so transparent und singend gehört wie hier. Nichts wirkt gehetzt, jede Note, jede Phrase atmet. Der große episch-erzählerische Duktus des ersten Satzes wird von den Musikern kongenial in Szene gesetzt, der „heilige“ zweite entfaltet sich „weihrauchfrei“ in einer Schönheit und Tiefe, die in der Violinkonzert-Literatur Ihresgleichen sucht. Zum Höhepunkt des Albums gerät in meinen Ohren die riesige Kadenz gegen Ende des dritten Satzes, in der – nach Tetzlaffs Worten – „das ganze Stück reflektiert wird“ und die in ihrer taktstrichlosen Form-Freiheit eine Klangwelt eröffnet, die weit ins 20. Jahrhundert weist. Elgars Konzert sei „genial schön für die Geige geschrieben“, sagt Tetzlaff. Diese starke Interpretation macht es „ohrenscheinlich“!

„Es ist wirklich ein Violinkonzert“ – Adès

Was oben über Tetzlaffs Interpretation (und die seiner musikalischen Mitstreiter) über das Konzert von Elgar gesagt wurde, trifft auch auf dasjenige von Thomas Adès zu. Das „Singen“ der Geige, das für jedes Violinkonzert konstitutiv ist, das diesen Namen verdient, bekommt in Concentric Path einen noch höheren, ja geradezu essenziellen Stellenwert. Das betrifft vor allem den – im eigentlichen Sinne des Wortes – zentralen zweiten und mit seinen gut zehn Spielminuten längsten Satz des Werks, der die Überschrift „Paths“ trägt. „[Er] entwickelt seine eigene Psychologie im Ablauf. [Es geht] um die Idee des Kreisens“, so Tetzlaff. Das dieses Kreisen in der riesigen Chaconne von „Paths“ kein Ziel und Ende hat und im Grunde ewig so weiterkreisen und -singen könnte, macht die Magie des Satzes aus. In dieser Hinsicht hat mich Adès‘ Konzert an das Gesungene Zeit betitelte Violinkonzert von Wolfgang Rihm erinnert, das sich (auch) dem Strömen des Melos überlässt, „bis der Faden ausgesponnen ist“, um es mit Rihm zu sagen. (Tetzlaff selbst nennt das Violinkonzert von Ligeti als einen Bezugspunkt für Concentric Path, er bezieht sich dabei aber vor allem auf den ersten Satz dieses Werks, was sicher richtig ist.)

Das Kreisen wird „auf einer ganz einfachen Ebene“ (Tetzlaff) schon im ersten Satz (Rings) ins Werk gesetzt, aber hier wirbelt es eher noch wild „um einen Punkt herum“. Und auch dieses wilde Wirbeln wird von Tetzlaff hoch energetisch und – selbst in den extremsten Lagen – fließend-kantabel in Szene gesetzt. Weniger überzeugt mich der letzte, Rounds überschriebene, Satz des Werks. Das liegt aber weniger an Tetzlaff und seinen Mitstreitern, sondern viel eher an der Musik selbst, die in meinen Ohren doch „nur“ ein, wenn auch kluger und klanglich-rhythmisch hoch virtuoser, „Nachklapp“ auf den vorhergegangenen Satz ist, mit dem das Werk zu sich selbst kommt. Gleichwohl: Concentric Path ist eines der ganz großen Violinkonzerte unserer Zeit, das mit Christian Tetzlaff, John Storgårds und den BBC-Musikern ideale Anwälte gefunden hat.

Dr. Burkhard Schäfer [28.10.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Edward Elgar
1Violinkonzert h-Moll op. 61 00:43:02
Thomas Adès
4Violin Concerto op. 24 (Concentric Paths) 00:18:50

Interpreten der Einspielung

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