Ludwig van Beethoven
Complete Violin Sonatas
Lena Neudauer • Paul Rivinius

cpo 555 550-2
3 CD • 3h 50min • 2022
25.08.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Bekommt man als Rezensent eine Gesamtaufnahme der Sonaten für Klavier und Violine – um wenigstens einmal die vom Komponisten bevorzugte Rangfolge zu nennen – von Ludwig van Beethoven zur Besprechung auf den Schreibtisch, stellt man sich naturgemäß die Frage, ob noch eine Einspielung dieser Werke unbedingt vonnöten wäre und betrachtet diese mit einer gewissen Unlust. Wenn man dann allerdings bereits von den ersten Takten der Sonate op.12,1 gefesselt ist, ahnt man, dass hier Großes geschehen sein könnte. Wenn man dann unbedingt die nächsten beiden CDs hören will, weiß man, dass dem so ist und dass Lena Neudauer und Paul Rivinius ein Meisterstück glückte.
Beethoven zumeist charmant
Wollte man Beethovens Sonaten für Klavier und Violine seinen von Franz Liszt so herrlich prägnant mit „l’adolecent – l’homme – le dieu“ bezeichneten drei Schaffensperioden zuordnen, fielen die fünf Sonaten der Opera 12, 23 und 24 („Frühling“) wohl noch in die Jahre des Heranwachsens. Opus 12 von 1796/7 – das von der zeitgenössischen Presse ein eher negatives Echo erhielt – wandelt divertimentoartig noch auf den Bahnen Mozarts und ist seinem damaligen Lehrer in Vokalkomposition Antonio Salieri gewidmet. Hätte er dort besser aufgepasst, wären womöglich Fidelio, die Missa solemnis und das Finale der 9. Sinfonie wesentlich stimmenschonender ausgefallen. Das viel zu selten gespielte Opus 23 markiert in seinem leidenschaftlichen Moll-Duktus den Übergang zum Mannesalter, während die „Frühlingssonate“ noch einmal auf den serenadenseligen Duktus des op. 12 zurückgreift.
Die dem russischen Zaren Alexander I. gewidmeten Sonaten op. 30 fallen definitiv in die „Periode des Mannes“ (l’homme) und markieren besonders in op. 30/2 c-Moll den „heroischen Stil“ Beethovens, der in Eroica, Schicksalssinfonie, Waldsteinsonate und Appassionata gipfelt. Interessant ist hier die originale Titulatur: „TROIS SONATES pour le Pianoforte avec l’Accompagnement d’un Violon“. Somit sind es drei Klaviersonaten mit Violinbegleitung. Bei der Kreutzer-Sonate op. 47, die eigentlich Bridgetower-Sonate heißen sollte, da dieser die Uraufführung aus einem fast unlesbaren Manuskript spielte und der spätere Widmungsträger das Werk verabscheute, heißt es dann „SONATA per il Piano-forte ed un Violino obligato/ scritto in un stile molto concertante/ quasi come d’un concerto”. Auf gut Deutsch: Klaviersonate mit obligater Violine, in einem sehr konzertanten Stil, gleichsam wie ein Konzert. Die pastorale letzte Sonate op. 96 G-Dur mit ihrem frechen Country-Dance-Rondo entstand 1812 für einen Salon-Auftritt von Erzherzog Rudolf mit dem französischen Geiger Pierre Rode. Somit verwundert es nicht, dass des Habsburgers Lieblingstonarten G-Dur (vergl. 4. Klavierkonzert) und Es-Dur (vergl. Les Adieux) hier prominent zum Einsatz kommen. Auch sie gehört noch der zweiten Periode an. Die hohe Opuszahl resultiert aus der erst 1816 erfolgten Drucklegung.
Alles richtig gemacht!
Paul Rivinius und Lena Neudauer haben den Notentext genaustens studiert, um eine möglichst sinnige Balance zwischen Wichtigem und Unwichtigem zu finden. Somit kommt es nirgendwo zu der meist unleidlichen Konstellation, in der ein prominenter Geiger sich von einem Pianisten „begleiten“ lässt. Vielmehr begleitet hier die Geigerin den Pianisten, so sie nicht selbst thematisch Gewichtiges vorzutragen hat. Dabei ist jede Phrase beseelt und hat ein Ziel, sodass die Werke in besonderer Klarheit erklingen. Rhythmische Impulse werden genutzt, um die Spannung aufrecht zu erhalten und mehr als einmal verlockte mich das Spiel des Paares zu freudigem Mitwippen. Ihre Interpretation geht also unter die Haut und verleitete den Rezensenten, der alles andere als ein Beethoven-Anbeter ist, nach jeder CD zur nächsten greifen zu wollen und zu bedauern, dass es nur deren drei sind. Als einziger Kritikpunkt wäre bezüglich der Kreutzer-Sonate anzumerken, dass die Geige hier doch arg im Hintergrund agiert, was George Bridgetower 1806 sicherlich nicht tat. Ansonsten ist auffällig, dass Frau Neudauer sich höchst löblicherweise mit den stilistischen Vorgaben der Violinschule von Louis Spohr auseinandergesetzt hat und nur sehr dezent vibriert.
Aufnahmetechnisch hätte man die Geige in op. 47 womöglich stärker unterstützen müssen, daher der Punktabzug für eine ansonsten sehr gelungene Produktion. Das Booklet ist informativ.
Fazit: Eine Aufnahme, die in ihrer absolut uneitlen Frische besticht und für mich die neue Referenz auf modernen Instrumenten ist. Definitiv empfohlen und für die Jahresliste vorgemerkt!
Thomas Baack [25.08.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Sonate Nr. 1 D-Dur op. 12 Nr. 1 für Violine und Klavier | 00:20:44 |
4 | Sonate Nr. 2 A-Dur op. 12 Nr. 2 für Violine und Klavier | 00:16:34 |
7 | Sonate Nr. 3 Es-Dur op. 12 Nr. 3 für Violine und Klavier | 00:19:19 |
10 | Sonate Nr. 4 a-Moll op. 23 für Violine und Klavier | 00:20:35 |
CD/SACD 2 | ||
1 | Sonate Nr. 5 F-Dur op. 24 für Violine und Klavier (Frühlingssonate) | 00:23:26 |
5 | Sonate Nr. 6 A-Dur op. 30 Nr. 1 für Violine und Klavier | 00:22:34 |
8 | Sonate Nr. 7 c-Moll op. 30 Nr. 2 für Violine und Klavier | 00:24:46 |
CD/SACD 3 | ||
1 | Sonate Nr. 8 G-Dur op. 30 Nr. 3 für Violine und Klavier | 00:17:23 |
4 | Sonate Nr. 9 A-Dur op. 47 für Violine und Klavier (Kreutzer-Sonate) | 00:36:56 |
7 | Sonate Nr. 10 G-Dur op. 96 für Violine und Klavier | 00:27:03 |
Interpreten der Einspielung
- Lena Neudauer (Violine)
- Paul Rivinius (Klavier)