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Besprechung CD

Sarajevo

Goran Stevanovich

Berlin Classics 03037BC

1 CD • 47min • 2024

05.07.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Von den ersten Tönen an wird klar: Hier ist ein Musiker unmittelbar im Herzen seines Instruments unterwegs. Goran Stevanovich, 1986 im bosnischen Bijeljina geboren, entfaltet auf seinem Debütalbum "Sarajevo" eine klangliche Welt von solcher Intensität, dass man das Akkordeon nicht mehr als Instrument, sondern als Verlängerung seiner selbst wahrnimmt. Unter Vermeidung jeder Folklore wird tief in die musikalische Substanz seines Herkunftslandes eingetaucht. Sein mächtiger Klang von emotionaler Tiefe und die imaginative Wucht scheinen das Akkordeon neu zu definieren – nicht durch spektakulären Effekt, sondern durch tiefe Verinnerlichung seiner Möglichkeiten.

Mühelose Virtuosität

Der in Bosnien-Herzegowina aufgewachsene Virtuose und Komponist macht sich keinerlei Gedanken, der Welt etwas beweisen zu müssen. Er ist nicht darauf aus, ein "Seht-was-ich-alles-kann"-Feuerwerk zu inszenieren oder die Möglichkeiten des Instruments zu demonstrieren, um es aus seiner Konnotation als Volksmusik-Instrument zu rehabilitieren, denn da haben andere schon im Übermaß gewirkt. Dennoch: Wer bislang glaubte, vom spektakulären Effektreichtum dieses Instruments schon alles gehört zu haben, wird hier eines Besseren belehrt.

Starke Kontraste

Atemlos ist oft der Wechsel zwischen meditativer Stille und eruptiver Dynamik. Da sind statische Borduntöne, über denen sich Improvisationen über orientalische Modi und fein ziselierte melismatische Phrasen entfalten. Eine oft freie, flexible Rhythmik verleiht diesem Spiel etwas beständig Ruheloses, Schwebendes. Das Instrument wird zum Organismus, der manchmal nur zu flüstern scheint, um im nächsten Moment in perkussiver Raserei zu explodieren. Zuweilen erzeugen repetitive Strukturen eine Nähe zur Minimal Music. Das alles wirkt sinnlich und intellektuell zugleich und ist von einer imaginativen Wucht, die unmittelbar unter die Haut geht.

Farbenfrohes Porträt

Die Dramaturgie des Albums setzt auf Kontraste: Max Richters Sarajevo öffnet den Raum mit kontemplativer Ruhe und setzt den Ton für die folgende Reise. In seiner eigenen Komposition Der Asra verbindet Stevanovich dann erstmals literarische Reflexion mit musikalischer Erkundung und schlägt die Brücke zu osmanischen Traditionen seiner Heimatstadt. Der Mittelteil des Albums mit den dreiteiligen Sevdah Verses: Bartók reframed bildet Goran Stevanovichs kompositorisches Herzstück, wo im Geiste Bartóks dessen musikethnologische Arbeit anhand eigener Erkundungen in eine zeitgemäße Sprache überführt wird. Die Paarung von Bartóks Peasant Song mit Kinah Azmehs Prelude schafft meditative Ruhepole, bevor in einer weiteren Eigenkomposition wieder die perkussive Seite seines Spiels im Vordergrund steht.

Effektvolle Dramaturgie

Guillermo Lagos Sarajevo und Stevanovich' eigenes Kad ja pojoh führen tiefer in das Mysterium der Stadt ein. Furios geht der Ritt in die Zielgerade mit einem Stück von Bryce Dessner, dem Gitarristen der Band "The National". Als Epilog rezitiert Goran Stevanovich schließlich das Heine-Gedicht Der Asra. Man mag über die Idee dazu rätseln – aber warum nicht der musikalischen Sache auch einen Überbau geben? Das Gedicht mit seiner Verbindung von Orientalismus, tragischer Liebe und romantischer Todessehnsucht thematisiert ähnliche kulturelle Schnittstellen, wie sie auch Stevanovich in seiner Musik erkundet.

Stefan Pieper [05.07.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Max Richter
1Sarajevo 00:04:14
Goran Stevanovich
2Der Asra 00:03:58
3Sevdah Verses: Bartók reframed 00:09:21
Béla Bartók
6Peasant Song 00:04:14
Kinan Azmeh
7Prelude 00:03:14
Goran Stevanovich
8Takht 00:02:36
Guillermo Lago
9II. Sarajevo (aus: Ciudades) 00:04:34
Goran Stevanovich
10Kad ja podjoh 00:04:17
Bryce Dessner
11Aheym 00:10:03

Interpreten der Einspielung

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