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Besprechung CD

Jeremias Fliedl

Transformation
Villa-Lobos • Stravinsky • Hindemith • Tchaikovsky

Berlin Classics 0303274BC

1 CD • 56min • [P] 2024

11.03.2024

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

„Transformation“ hat der junge Cellist Jeremias Fliedl, Jahrgang 1999 und u.a. noch Schüler des großen Heinrich Schiff, sein Debütalbum genannt, und in der Tat greifen alle vier hier versammelten Werken auf unterschiedliche Weise Material oder stilistische Charakteristika von Musik vergangener Zeiten auf und unterziehen sie einem Transformationsprozess. Fliedl zur Seite stehen dabei das Württembergische Kammerorchester Heilbronn unter der Leitung von Emmanuel Tjeknavorian, der nicht nur Geiger ist, sondern sich mittlerweile so wie sein Vater Loris auch als Dirigent einen Namen gemacht hat.

Beseelte Expressivität, herrliches Legato

Fliedls Interpretationen zeichnen sich in besonderem Maße durch ihre beseelte Expressivität aus: er ist jemand, der es versteht, das Cello singen zu lassen, der die melodischen Bögen der Musik voll auskostet, ihnen Zeit zur Entfaltung gibt. Sein Ton ist facettenreich und variabel, in seiner grundsätzlichen Orientierung zugleich warm und kraftvoll, herrlich rund sein Legatospiel. All dies kommt in Fliedls Einspielung von Tschaikowskis Rokoko-Variationen exzellent zur Geltung, einer von Tschaikowskis Hommagen an die Musik des 18. Jahrhunderts (wobei das „Rokoko-Thema“ ja tatsächlich von ihm selbst stammt). Dieses bei Cellisten ungemein beliebte, von manchen Musikliebhabern, die Tschaikowski vor allem mit der Emotionalität etwa seiner späten Sinfonien verbinden, tendenziell unterschätzte Werk enthält zahlreiche kantable, von blühendem Melos erfüllte Passagen, deren Schmelz Fliedl mit großer Sensibilität (und teilweise u.a. auch unter Einsatz geschmackvoller Portamenti) zu realisieren versteht. Es sind Interpretationen, bei denen die Expression im Vordergrund steht, und so nimmt Fliedl auch die Schlussvariation in vergleichsweise gemäßigtem Tempo und doch mit viel Temperament und finaler Sogwirkung.

Die robuste Vitalität von Strawinskis Neoklassizismus

Das zweite größere Werk des Albums ist Strawinskis Suite italienne, bei der es sich faktisch um eine Koproduktion von Strawinski und Gregor Piatigorsky handelt auf Basis von Strawinskis Ballett Pulcinella, das wiederum vermeintlich auf Stücken von Pergolesi aufbaut (die sich später allerdings teilweise als Fehlzuschreibungen herausstellten). Fliedls Lesart der Suite ist ausgezeichnet, sein kraftvoll-lyrisches, ausdrucksstarkes Spiel bringt die robuste Vitalität dieser Musik vorzüglich zur Geltung. Nun ist Strawinskis Suite ursprünglich ein Werk für Cello und Klavier, ein ausgeprägtes Duostück, in dem beide Instrumente fast durchgehend miteinander dialogisieren. In der Fassung mit Streichorchester (von Benjamin Wallfisch) ist dies nicht immer völlig unproblematisch, denn der ziemlich präsente Streichersatz läuft hier und da Gefahr, das Cello zuzudecken: was zwischen Cello und Klavier fein austariert ist, gerät stellenweise etwas aus der Balance, zu Lasten einiger der Feinheiten, der Details insbesondere der Cellostimme. Sehr gut funktioniert (nicht überraschend angesichts ihres intimeren Charakters) namentlich die Serenata. Andererseits entfalten einige der schnelleren Sätze in der Orchesterfassung natürlich eine ganz unmittelbare Wirkung, zumal dann, wenn sie auch von Seiten des Orchesters so inspiriert dargeboten werden wie hier.

Sonorer Ton, kantables Spiel

Hindemiths Trauermusik, eigentlich für Bratsche und Streichorchester, entstand binnen einer Nacht anlässlich des Todes des englischen Königs Georg V.; ein Stück, das schon immer auch von Cellisten gerne gespielt worden ist. Wunderbar Fliedls satter, sonorer Ton in tiefen Lagen etwa im dritten Satz, sehr schön (frei) ausgespielt die Umspielungen des Chorals Für deinen Thron tret ich hiermit im Schlusssatz. Am Beginn des Albums steht eine Version für neun Celli von Heitor Villa-Lobos’ Bachianas brasileiras Nr. 5 (die sich so ergibt, dass die Sopranstimme auf das Cello übertragen wird), bei der alle neun Stimmen von Fliedl selbst gespielt werden. Gerade in der Bachischen Aria zu Beginn kommen die sanglichen Qualitäten seines Spiels einmal mehr vorzüglich zur Geltung.

Ein ausgesprochen erfreuliches Debüt

Mit dem Württembergischen Kammerorchester unter der Leitung von Tjeknavorian stehen Fliedl sehr solide Partner zur Seite. Nicht zwangsläufig erforderlich, aber immerhin bedenkenswert wäre es gewesen, die Stücke von Hindemith und Tschaikowski in Tracks aufzuteilen. Hervorzuheben ist der informative, in angenehm ruhigem, sachlichem Ton gehaltene Begleittext. Ein ausgesprochen erfreuliches Debütalbum!

Holger Sambale [11.03.2024]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Heitor Villa-Lobos
1Bachianas Brasileiras Nr. 5 (Version für 9 Violoncelli) 00:10:59
Paul Hindemith
8Trauermusik für Violoncello und Streichorchester 00:08:51
Peter Tschaikowsky
9Variationen A-Dur op. 33 für Violoncello und Orchester (Rokoko-Variationen) 00:18:31

Interpreten der Einspielung

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