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Besprechung CD

Fanny Hensel

Charakterstücke
Sontraud Speidel

Ars Produktion 38 648

1 CD • 57min • 1985

13.02.2024

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Bei ihren Zeitgenossen galt Fanny Hensel (1805-1847) als die begabte Schwester ihres jüngeren Bruders Felix Mendelssohn Bartholdy, wurde vor allem als Pianistin und Dirigentin hochgeschätzt. In unseren Tagen ist man dabei, sie als „die bedeutendste Komponistin des 19. Jahrhunderts“ zu erkennen, als die sie im Supplementband von „Die Musik in Geschichte und Gegenwart“ (1979) verewigt wurde. Das unter dem Titel „Charakterstücke“ erschienene Album leitet dieser Einschätzung Vorschub. Es enthält überwiegend Klavierstücke der von ihrem Bruder und ihr „erfundenen“ Gattung „Lieder ohne Worte“, wird aber eingeleitet mit dem Sonatensatz E-Dur, einer unveröffentlichten Schülerarbeit der 16jährigen Musikerin, die noch stark unter dem Einfluss Beethovens stand.

Den Großen ebenbürtig

Erst ein Jahr vor ihrem Tod entschloss sich Fanny Hensel, vom Gatten unterstützt und mit dem „Segen“ von Felix, einige ihrer Werke bei Verlagen in Berlin und Paris zu veröffentlichen. Für einen Teil der damaligen Kritik stand sie noch im Schatten ihres Bruders. Nur die „Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung“ erkannte die Unterschiede in den Werken der Geschwister und Fannys Ebenbürtigkeit. Aus heutiger Sicht ist zu konstatieren, dass sie sich sowohl in den beim französischen Verlag Schlesinger publizierten Six Mélodies pour le Pianoforte op. 4. & 5 als auch in den Vier Liedern für das Pianoforte op. 6 hinsichtlich schöpferischer Kraft und handwerklicher Raffinesse sogar hinter den Klaviergöttern Schumann und Chopin nicht zu verstecken braucht. Der hohe technische Schwierigkeitsgrad dieser Kompositionen, insbesondere der halsbrecherische Saltarello romano (6/2), lässt auch Rückschlüsse zu auf den hohen Grad an Virtuosität, über den Fanny Hensel als Pianistin verfügt haben muss.

Fantasievolle Klanggemälde

Nicht mehr als „Lieder“, sondern als „Charakterstücke“ etikettierte Fanny Hensel den Zyklus Das Jahr, der 1841 entstand, aber erst nach ihrem Tod veröffentlicht wurde. Es handelt sich um zwölf nicht nur hochvirtuose, sondern auch fantasievolle Klanggemälde, in denen jeder Monat des Jahres musikalisch charakterisiert wird. Ins Album aufgenommen wurden allerdings nur solche Stücke, deren Notentext – zum Zeitpunkt der Aufnahme – hinreichend gesichert war. Die ersten beiden Sätze gehen direkt ineinander über, wobei der harmonisch abwechslungsreiche Januar gleichsam als Introduktion zum Februar erscheint, der ganz faschingshaft bunt gerät. Im Juli geht die Klangmalerei so weit, dass man in den Bass-Tremoli ein Sommergewitter ahnen kann. Man denkt an Beethovens Pastorale. Der Dezember wandelt sich überraschend von dräuender Winterstimmung in c-moll in den nun in Dur erklingenden Choral „Vom Himmel hoch, da komm ich her“. Folgerichtig wird dem letzten Monat mit einem weiteren Choral, „Das alte Jahr vergangen ist“, ein Nachspiel angefügt – eine Hommage an den von Fanny wie von ihrem Bruder hochverehrten Johann Sebastian Bach.

Brillanz und Einfühlung

Warum dieses schon 1985 in Karlsruhe aufgenommene Teilporträt der mittlerweile kaum noch unterschätzten Komponistin erst jetzt auf den Markt kommt, ist nicht auszumachen. Möglicherweise war der bevorstehende 80. Geburtstag der Pianistin Sontraud Speidel ein Anlass. Deren in jeder Hinsicht vorbildlichen Interpretationen sind aber auch zum jetzigen Zeitpunkt, wo Fanny Hensel sich einer weitaus umfangreicheren Diskographie erfreut, hochwillkommen. Frau Speidel beeindruckt hier nicht nur durch außerordentliche technische Brillanz, sondern auch und mehr noch durch ein tiefes Eindringen in die musikalische Empfindungswelt der Komponistin, wobei sie immer wieder kleine Wunder an Phrasierungsfantasie vollbringt.

Ekkehard Pluta [13.02.2024]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Fanny Mendelssohn-Hensel
1Sonatensatz E-Dur 00:06:01
2Mélodie pour le Piano cis-Moll op. 5 Nr. 2 Allegretto 00:01:18
3Mélodie pour le Piano E-Dur op. 5 Nr. 3 Allegro molto quasi presto 00:05:26
4Mélodie pour le Piano H-Dur op. 5 Nr. 4 Lento appassionato 00:02:33
5Mélodie pour le Piano G-Dur op. 5 Nr. 5 Allegro molto vivace 00:03:41
6Mélodie pour le Piano Es-Dur op. 5 Nr. 6 Andante soave 00:05:18
7Lied ohne Worte E-Dur op. 8 Nr. 4 (Wanderlied) 00:02:31
8Januar H-Dur (Ein Traum), Adagio, quasi una Fantasia (aus: Das Jahr - Zwölf Charakterstücke für Klavier) 00:06:11
8Februar Fis-Dur, Scherzo (aus: Das Jahr - Zwölf Charakterstücke für Klavier)
9Juli F-Dur, Larghetto (aus: Das Jahr - Zwölf Charakterstücke für Klavier) 00:03:17
10Dezember c-Moll/C-Dur, Allegro molto - Andante (aus: Das Jahr - Zwölf Charakterstücke für Klavier) 00:04:03
11Das alte Jahr vergangen ist a-Moll, Nachspiel: Choral (aus: Das Jahr - Zwölf Charakterstücke für Klavier) 00:01:47
12Lied für das Pianoforte As-Dur op. 6 Nr. 1, Andante espressivo (aus: Vier Lieder für das Pianoforte) 00:04:13
13Lied für das Pianoforte H-Dur op. 6 Nr. 2, Allegro vivace (aus: Vier Lieder für das Pianoforte) 00:04:08
14Lied für das Pianoforte Fis-Dur op. 6 Nr. 3, Andante cantabile (aus: Vier Lieder für das Pianoforte) 00:03:20
15Lied für das Pianoforte a-Moll op. 6 Nr. 4, Allegro molto (Saltarello romano - aus: Vier Lieder für das Pianoforte) 00:02:51

Interpreten der Einspielung

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