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Besprechung CD

Hugo Kaun

Symphonic Works

cpo 555 572-2

1 CD • 77min • 2022

04.12.2023

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Eigentlich ist es seltsam, dass erst jetzt die erste CD mit Orchesterwerken Hugo Kauns erscheint, denn nicht nur muss man Kaun angesichts der zahlreichen Aufführungen seiner Werke zu Lebzeiten als einen der überdurchschnittlich erfolgreichen deutschen Komponisten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts bezeichnen, sein Name taucht auch in der Literatur nicht selten auf. So bedenkt etwa Wilhelm Altmann in seinem Handbuch für Streichquartettspieler Kauns Kammermusikwerke durchweg mit höchstem Lob. Verschiedene wissenschaftliche Abhandlungen über Kauns Schaffen liegen ebenfalls bereits vor. Eine erste ganz Kaun gewidmete CD mit Kammermusik spielte das Berolina-Ensemble 2014 für MDG ein.

Vielseitiger Komponist

Hugo Kaun, der 1863 in Berlin geboren wurde und dort 1932 starb, allerdings mit 24 Jahren in die Vereinigten Staaten auswanderte, wo er 15 Jahre lang lebte, war ein sehr vielseitiger Komponist, der auf nahezu allen Gebieten Werke hinterlassen und über 120 Opuszahlen erreicht hat. Bereits als Student schüttelte er den Kopf über den seinerzeit hochkochenden Parteienstreit „Hie Brahms, hie Wagner“. Er bewunderte beide Großmeister, lernte als Schüler Friedrich Kiels und Bernhard Ziehns von den Klassikern wie von den Modernen und komponierte sowohl Symphonien in traditioneller Form als auch programmatische Tondichtungen. Dass Jonathan Stockhammer und das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin auf dem vorliegenden Album Werke beider Gattungen präsentieren, ist nur folgerichtig.

Empfindsamer Tonbaumeister

Hört man den Anfang der Dritten Symphonie, mit dem charakteristischen erniedrigten Leitton des Hauptmotivs und der chromatischen Basslinie, wird sofort klar, dass man es mit einem Harmoniker zu tun hat, der aus dem Vollen schöpft – und dem, wie der weitere Verlauf des Werkes zeigt, die aparten Wendungen nie ausgehen. Die omnipräsente Chromatik und das Vorherrschen von Moll-Tonarten geben der Musik einen elegischen Grundton, doch das Pathos, das sie ausstrahlt, ist nicht das einer Tragödie, sondern das eines festgefügten musikalischen Bauwerks. Es fehlt hier nicht an mächtigen Steigerungen und kraftvollen Ausbrüchen, Kauns Neigung gilt aber vor allem der Musik „mittlerer Temperatur“: den feinen Abstufungen, sanften Übergängen, zarten Schattierungen – dann instrumentiert er auch besonders delikat. Man höre einmal den herrlich verträumten Mittelteil des Adagios mit seinen gedämpften Hörnern, mehrfach geteilten Streichern, Harfen- und Celestaklängen!

Glänzender symphonischer Erzähler

Der Symphonie auf der CD vorangestellt sind die beiden unter dem Titel Im Urwald zusammengefassten Symphonischen Dichtungen Minnehaha und Hiawatha, Werke aus Kauns Jahren in Amerika, basierend auf Henry Wadsworth Longfellows Epos The Song of Hiawatha, das seinerzeit auch Frederick Delius, Samuel Coleridge-Taylor und nicht zuletzt Antonín Dvořák zu musikalischen Werken inspiriert hat. Kaun setzt die Geschichte um den legendären Irokesenhäuptling Hiawatha und dessen Frau Minnehaha nicht chronologisch um: Der ersten Tondichtung liegt die Episode von Minnehahas Tod während einer Hungersnot zugrunde, wohingegen die zweite als tönende Gesamtschau von Hiawathas Leben anzusehen ist. Beide sind selbstständige Werke und haben keine gemeinsamen Themen, doch ergänzen sie einander durch Kontrast vortrefflich: Minnehaha ist ein dunkel getönter, langsamer Satz, der sich in der Mitte zu einem Aufschrei steigert und mit einer Trauermusik ausklingt; Hiawatha ein heroisches Allegro mit einer langsamen Kontrastepisode, die die Vision des Titelhelden von der leidvollen Zukunft seines Volkes unter der Herrschaft der weißen Siedler darstellt und in welcher Kaun ein indianisches Lied verarbeitet. Als symphonischer Erzähler weiß der Komponist in diesen glänzend instrumentierten Stücken nicht minder zu fesseln denn als „absoluter“ Symphoniker!

Stabile Tempi, die aber nicht mechanisch durchgehalten werden, dezente Rubati an passenden Stellen, Sinn für gesanglichen Vortrag, sorgfältige Umsetzung der Artikulationsvorschriften und ein stets gut ausbalancierter Orchesterklang zeugen davon, dass Hugo Kaun in Jonathan Stockhammer einen fähigen und umsichtigen Fürsprecher gefunden hat. Es ist zwar nicht undenkbar, dass man noch tiefer in die Feinheiten der Kaunschen Harmonik eintauchen kann als hier geschehen, der hohe Wert dieser Aufnahmen lässt sich jedoch nicht bestreiten. Für weitere Kaun-CDs, die hoffentlich nicht lange auf sich warten lassen, ist das ein sehr guter Ausgangspunkt!

Norbert Florian Schuck [04.12.2023]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Hugo Wilhelm Kaun
1Im Urwald op. 43 (Minnehaha, Hiawatha; Zwei sinfonische Dichtungen nach Longfellow) 00:27:53
3Sinfonie Nr. 3 e-Moll op. 96 00:49:30

Interpreten der Einspielung

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