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Roots

Pieces in Folk Style
Shirley Brill | Jonathan Aner

hänssler CLASSIC HC22063

1 CD • 59min • 2022

29.10.2023

Künstlerische Qualität:

Klangqualität:

Gesamteindruck:

Die Klarinettistin Shirley Brill und der Pianist Jonathan Aner, beide aus Israel stammend, in Deutschland lebend und lehrend, haben unter dem Motto „Roots“ (Wurzeln) ein Programm eingespielt, das im weitesten Sinn dem Begriff „Folklore“ verbunden ist. Der Begleittext macht deutlich, dass es dabei nicht um Nationalismus geht, sondern um die Vielfalt volksmusikalischer Stile.

Stücke im Volkston

Gleich das erste Beispiel zeigt die Weite möglicher Einstellungen auf: Robert Schumanns Fünf Stücke im Volkston op. 102 aus dem Jahr 1849 neigen einer „imaginären Folklore“ zu, pendeln zwischen ungarischen, nordischen und östlichen Einflüssen hin und her, um im Kern typischer Schumann zu bleiben. Den beiden Interpreten gelingt es, das eigentlich für Violoncello und Klavier gedachte Opus durch kräftige Rhythmisierung, variable Dynamik und ausgefeilte Melodik spannungsreich darzustellen. Dabei kommt auch der eigenartige Humor, wie ihn Schumann für das erste Stück fordert, nicht zu kurz. Die Balance zwischen den Instrumenten stimmt, gerade weil der Pianist zwischen Begleit- und Führungsaufgaben zu differenzieren weiß.

Romantisches von Clara Schumann

Nichts zu tun mit der Folklore haben die drei Violin-Romanzen op. 22 von Clara Schumann, die von Shirley Brill auf die Klarinette übertragen wurden. Dies sind einfach ausdrucksvolle Lieder ohne Worte, die dem Melodieinstrument das Singen überlassen. Und der fein gearbeiteten Klavierbegleitung merkt man an, dass sie von einer hervorragenden Pianistin stammt. Diese drei Piecen wirken jedenfalls in der ausgefeilten Wiedergabe „romantischer“ als die etwas burschikosen Stücke ihres Ehemanns.

Tänzerisches aus Polen

Die Drei Miniaturen für Klarinette und Klavier, die Krzystof Penderecki (1933 – 2020) während seiner Studienzeit schrieb, sind rhythmisch zugespitzte, tänzerisch anmutende Skizzen, die nur von fern an die polnische Folklore erinnern. Shirley Brill und Jonathan Aner gestalten sie mit hörbarem Vergnügen. Das einzige Werk des Programms, das sich dezidiert auf die Volksmusik bezieht, sind die Fünf Tanzpräludien von Witold Lutoslawski (1913 – 1994). Die 1954 entstandenen Stücke basieren auf Volksliedern aus Nordpolen und erinnern in der Machart ein wenig an ähnliche Beispiele, wie man sie aus Ungarn von Bartók oder Kodály kennt. Die Kontraste zwischen tänzerischem Elan und ausgreifender Melodik werden vom Duo effektvoll ausgespielt.

Tragisches von Weinberg

Mit Anklängen an die jüdische Klezmer-Tradition wartet die Klarinettensonate op. 28 von Mieczyslaw Weinberg (1919 – 1996) auf, dem polnischen Komponisten, der 1939 vor den Nazis floh, dann in seinem Refugium in Moskau unter dem Stalinismus litt, bevor er eine ruhigere Phase erleben durfte. Seine 1945 entstandene Sonate spiegelt die aufgewühlte Zeit nach Kriegsende, changiert zwischen Verzweiflung und Hoffnung. Die Bandbreite an musikalischen Ausdruckssphären, zwischen harter Motorik und improvisatorischer Freiheit, zwischen dissonanten Spannungen und tonaler Beruhigung kommt in der Interpretation durch Shirley Brill und Jonathan Aner eindrucksvoll zur Geltung. Dass das Schaffen Weinbergs der Vergessenheit entrissen wird, ist auch im Hinblick auf ein solches Werk eine lohnende Zukunftsaufgabe. Das Booklet gibt nur knappe Hinweise zu den einzelnen Komponisten und Werken.

Prof. Klaus Trapp [29.10.2023]

Komponisten und Werke der Einspielung

Interpreten der Einspielung

• Shirley Brill (Klarinette)
• Jonathan Aner (Klavier)