Retrospektiven ...
Johann Sebastian Bach • Sigfrid Karg-Elert
Lukas Nagel Orgel
Ambiente-Audio ACD-1098
1 CD • 59min • 2023
06.09.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der junge Organist Lukas Nagel, geboren 1995 in Offenbach am Main, stellt mit der CD „Retrospektiven“ die neue Mühleisen-Orgel vor, die seit Ostern 2019 in der Stadtkirche Murrhardt erklingt. Das Booklet gibt genaue Auskunft über den Neubau, bei dem 45 Prozent der Pfeifen des Vorgängerinstruments verwendet wurden. Bis ins Einzelne wird die Disposition der Orgel benannt.
Bach in Bearbeitung
Die weitgehenden Möglichkeiten des neuen Instruments werden durch Aufnahmen stilistisch unterschiedlicher Werke belegt, wobei es sich bei den Stücken Bachs um Bearbeitungen handelt. Die Sonate für Solovioline in g-Moll BWV 1001 wurde vom Interpreten arrangiert und dabei nach d-Moll transponiert. Für den zweiten Satz, eine „Fuga“, konnte Lukas Nagel auf Bachs eigene Version BWV 539 zurückgreifen. Die Wiedergabe ist gemäßigt im Tempo, klar artikuliert, gut durchhörbar. Die Aufnahmetechnik kommt diesem Eindruck entgegen durch das Vermeiden allzu starken Nachhalls, wie man ihn oft bei Orgeleinspielungen erlebt.
Max Regers Sicht auf Bach
Eine Bearbeitung ganz anderer Art stellt Max Regers Übertragung der Chromatischen Phantasie und Fuge d-Moll BWV 903 dar. In der Phantasie entsprechen die Hinzufügung von Pedaltönen, der häufige Registerwechsel, die Verwendung des Schwellwerks und die starken Tempomodifikationen der Tonsprache Regers und seiner Zeit, ohne dass die enge Verbindung zum Barockmeister verloren geht. Lukas Nagel versteht es, auf dem engen Grat zwischen Vergangenheit und Gegenwart sicher zu wandeln. Die Fuge wächst in dieser Interpretation gleichsam von der Maus zum Löwen heran, was durchaus dem Steigerungswillen Regers entgegen kommt. Dabei bleibt die polyphone Struktur auch beim Einsatz des vollen Werks noch durchhörbar.
Interessante Entdeckungen
Aus ganz anderem Holz sind die Werke Sigfrid Karg-Elerts (1877 – 1933) geschnitzt, der eine Mittlerrolle zwischen Romantik und Impressionismus einnimmt. Seine Sympathie für die französische und englische Musikkultur spricht sich nicht nur in den Werktiteln, sondern auch im Duktus der Stücke aus. In den Trois Impressions op. 72 gelingt es dem Organisten, die teils ätherische, teils schwärmerische Stimmung von „Harmonies du soir“, „Clair de lune“ und „La nuit“ auszukosten, ohne dabei die Stringenz zu verlieren. Aus der Music for Organ op. 145, die bis an die Grenze zur Atonalität vordringt, spielt Lukas Nagel den Satz „Solfeggio e Ricercare“ mit gebändigter Virtuosität, dabei die Gegensätze von Aggressivität und Meditation innerhalb der fast eine Viertelstunde dauernden Komposition betonend. Der Klangfarbenreichtum der neuen Mühleisen-Orgel kommt dabei gut zur Geltung. Das Booklet gibt speziell zu den Werken Karg-Elerts wertvolle Informationen.
Prof. Klaus Trapp [06.09.2023]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Sebastian Bach | ||
1 | Sonate Nr. 1 g-Moll BWV 1001 für Violine solo (Transkr. für Orgel: Lukas Nagel) | 00:16:00 |
5 | Chromatische Fantasie und Fuge d-Moll BWV 903 (Bearb.: Max Reger) | 00:15:39 |
Sigfrid Karg-Elert | ||
7 | Harmonies du soir op. 72 Nr. 1 (A Monsieur Alexandre Guilmant) | 00:04:36 |
8 | Clair de lune op. 72 Nr. 2 (A Monsieur Alexandre Guilmant) | 00:03:48 |
9 | La nuit op. 72 Nr. 3 (A Monsieur Alexandre Guilmant) | 00:05:44 |
10 | Solfeggio e Ricercare op. 145 Nr. 3 (Dem Freunde Johannes Piersig) | 00:13:06 |
Interpreten der Einspielung
- Lukas Nagel (Orgel)