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Besprechung CD

Johann Sebastian Bach

Messe in h-Moll BWV 232

Rondeau ROP405253

2 CD • 1h 43min • 2022

20.09.2023

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Jan-Geert Wolff schreibt im Booklet, dass von Bachs h-moll-Messe mehr als über 100 Aufnahmen vorliegen und dass es also für eine neue Aufnahme „natürlich“ Alleinstellungsmerkmale brauche. Der seit 2021 amtierende Thomaskantor Andreas Reize wagt diese Aufnahme dennoch, wohl wissend wie große die Anzahl der schon vorliegenden Aufnahmen ist und ebenso, dass die Thomaner 2006 unter Georg Christoph Biller ebenfalls die Messe eingespielt haben. Er muss sich also diesen Vergleichen stellen.

Schnellfließende Tempi

Um es gleich zu sagen: Den Rezensenten überzeugt diese Aufnahme nur in Grenzen. Der Dirigent reizt die Tempi aus, sorgt für schnellfließende, manchmal sehr eilige Tempi – auch, wenn im „Gratias“ vielleicht eher eine emotionale Ruhepause angesagt wäre. Das „Credo“ beginnt so eilig, dass sogar die durchlaufende Orchester-Bassfigur gehetzt wirkt und im „Cum sancto“ wirkt das fordernd-schnelle Tempo gehetzt, ja gepeitscht, so dass die Chorkoloraturen – obwohl von den Knabenstimmen schön leicht angesetzt – manchmal ins Schmieren geraten. Das „Dona nobis pacem“ geht nicht den Frieden beschwörend, sondern eilenden Schrittes dem Ende zu.

Ein richtig empfundenes Tempo herrscht dafür im „Et incarnatus est“ – hier kann der Chor seine Stärke ausspielen: Transparenz und Ausgeglichenheit der Stimmgruppen, so dass die chromatische Harmonik – im durchaus tragenden Piano – schmerzlich klingt und die Worte von John Eliot Gardener bestätigt werden: „Nirgends, nicht einmal im erhabenen ‚Qui tollis‘…findet sich eine vergleichbare formale Schlichtheit, die mit einer derartigen Tiefe des Ausdrucks gepaart ist.“ Den „Lento“-Charakter im „Qui tollis“ erreicht Reize nicht durch extreme Tempo-Verlangsamung, sondern durch schwere Betonung der Eins im ¾-Takt und erreicht so die von Gardiner beschriebene „jammervolle Niedergeschlagenheit und Verzweiflung“, er nennt dieses Stück das „blutende Herz im Zentrum des ganzen Klangkörpers“. Dieses Herzbluten realisiert sich in den deutlich hörbaren Streicher-Rhythmus-Schlägen, die wie schwere fallende Blutstropfen wirken. Paradiesisch schön überwölben die Flöten diese herzinnige Verzweiflung. Schön (aus)schwingend wie die von Gardiner beschworenen „engelsgleich läutenden Kirchenglocken“ ist dann das „Sanctus“ mit leicht gesungenen Chorkoloraturen im „Pleni sunt coeli“.

Orchestermesse mit Chorbegleitung?

Andreas Reize hat dem Gewandhausorchester hörbar viel Beachtung gewidmet, es spielt – historisch informiert – hochbewegt und -animiert. Seelenvoll ist die Solo-Flöte im „Benedictus“, die Orchesterschläge im „Agnus Dei“ wirken gewollt staccato-haft. Aber hier kommt der große Einwand: Dem Orchester wird so große Bedeutung geschenkt, dass es in der Aufnahme überdimensioniert erscheint, zu sehr akustisch im Vordergrund steht bzw. sitzt, zu sehr dominiert. Die durchweg frisch intonierenden Knabenstimmen hören sich weit entfernt an und kommen akustisch oft nicht durch. Wenn man die Aufnahme der Thomaner von 2006 als Vergleich heranzieht, stehen da die Chorstimmen weit mehr im Vordergrund – und nutzen dies auch vorbildlich aus. Überspitzt formuliert hört sich die Reize-Version wie eine Orchestermesse mit Chorbegleitung an. Alles hat etwas Demonstratives an sich, als wolle Reize zeigen, wie sehr er sich durch den Orchesterpart gearbeitet hat. Zu diesem Hör-Eindruck gehört auch, dass die durchwegs sehr guten und instrumental singenden Solisten deutlich eingebunden wirken, aber nicht herausstrahlen dürfen.

Aufgenommen ist die Messe – musikgeschichtlich logisch – in der Leipziger Thomaskirche, Blätterrascheln und hörbares Atmen in den Zwischenpausen vermitteln den Eindruck eines Konzertes – obwohl die Aufnahme vier Tage gedauert hat.

Rainer W. Janka [20.09.2023]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Johann Sebastian Bach
1Messe h-Moll BWV 232 für Soli, Chor und Orchester 01:43:10

Interpreten der Einspielung

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