Insegnatemi a morire
Antonio Cesti Cantatas
Ars Produktion ARS 38 640
1 CD • 55min • 2021, 2022
16.08.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Eine Singstimme und ein Cembalo, vielleicht dazu eine Geige und ein Basso-Continuo-Ensemble: fertig ist die „Kammerkantate“, eine weltliche vokale Gattung, die im barocken Rom in den Palazzi der Kardinäle großen Anklang fand. Einer der Komponisten dafür ist Antonio Cesti (1623-1669), in Arezzo geboren, dort Chorknabe und Organist, später Opernsänger in Venedig und Florenz, schließlich ab 1652 in Innsbruck und 1666 in Wien Opernintendant und -komponist. In Innsbruck hatte er den Dichter und Librettisten Giovanni Filippo Apolloni (1620-1688) kennengelernt, der für ihn Opernlibretti schrieb und auch Kantatentexte. Sieben dieser Kantaten sind auf dieser CD versammelt. Die Sopranistin Alice Borciani hat sie editiert und hier eingesungen.
Ein Sopran so klar wie ein sprudelnder Bergbach
Eine Abfolge dieser Kantaten anzuhören könnte langweilig werden – nicht aber, wenn sie von Alice Borciani gesungen werden. Sie prunkt mit einem Sopran, der klar ist und sprudelt wie ein Bergbach, der ein vollkommen natürliches und sympathisches Timbre hat und voller offener Vokale ist, in der Höhe nie spitz wird, sondern seine Natürlichkeit behält, der Koloraturen mühelos locker und leicht nimmt. Erlesen ist die Legato-Kultur sowie die dynamische Schattierung, das Parlando gelingt genauso beschwingt wie die melismenreichen leidenschaftlicheren Passagen und die häufigen Rhythmuswechsel. Immer reagiert Alice Borciani unmittelbar auf den poetisch so reichhaltigen Text und versteht es, diesen plastisch und lebendig zu machen. Das wird besonders deutlich in „Quanto siete per me pigri, o momenti“ (Track 7), wo der Sprecher als ungeduldiger Liebhaber auftritt, der die Zeit bittet, die Stunden bis zum Treffen mit seiner Geliebten schneller vergehen zu lassen. Da gerät die Sängerin voller Ungeduld fast ins – immer noch – melodische Sprechen und die Koloraturen, die die Ungeduld symbolisieren, purzeln nur so hurtig. Oft lässt sich Alice Borciani gleichsam in den rhetorischen Sprechrhythmus und damit in die „sprechende Melodik“ fallen.
Harmonische Kühnheiten auf kleinstem Raum
Die Texte sind nur auf italienisch im Booklet abgedruckt, aber dafür sind ihnen die Inhalte dreisprachig vorangestellt, so dass man, mit einem Wörterbuch, leicht den Sinn verfolgen kann. Meist handeln sie vom Wunsch, wegen unerfüllter Liebe sterben zu wollen: „voglio morir“ oder, wie der Titel lautet: „Insegnatemi a morir“, also: „Lehrt mich zu sterben“. Die wichtigen Textzeilen werden oft Refrain-artig wiederholt und gliedern so den durchaus wortreichen Text. Musikalisch ist dies alles hochkomplex verarbeitet, hart am Text entlang, mit vielen metrischen Wechseln und harmonischen Kühnheiten auf kleinstem Raum. Das Instrumental-Ensemble mit dem hübschen Namen „Ensemble Il Zabaione Musicale“, bestehend aus zwei Geigen, einer Theorbe und einem Cembalo, unterstützt die Wirkung dieser Kühnheiten aufs Beste. Dazwischen eingefügt sind kurze Instrumentalstücke aus den Capricci armonici da chiesa e da camera von Giovanni Buonaventura Viviani (1638-1692), der ebenso in Innsbruck wirkte als Maestro di cappella. Hier spielt die Geige ebenso feinsinnig und rhetorisch gewandt wie die Sängerin singt. So passt alles trefflich zusammen, zumal auch das Hörbild reine Freude bringt.
Rainer W. Janka [16.08.2023]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Pietro Antonio Cesti | ||
1 | Lasciatemi in pace für Sopran und B.c. (Cantata) | 00:07:27 |
Giovanni Bonaventura Viviani | ||
2 | Capricci armonici da chiesa e da camera op. 4 (Aria Sesta) | 00:00:58 |
Pietro Antonio Cesti | ||
3 | Alpi nevose e dure (Cantata) | 00:04:42 |
4 | Insegnatemi a morire (Cantata) | 00:06:29 |
Giovanni Bonaventura Viviani | ||
5 | Capricci armonici da chiesa e da camera op. 4 (Symphonia Seconda) | 00:04:34 |
Pietro Antonio Cesti | ||
6 | Ricordati mio core (Cantata) | 00:07:27 |
7 | Quanto siete per m pigri, o momenti! (Cantata) | 00:08:07 |
Giovanni Bonaventura Viviani | ||
8 | Capricci armonici da chiesa e da camera op. 4 (Aria Terza) | 00:01:26 |
Pietro Antonio Cesti | ||
9 | Piangente un di, Fileno (Cantata) | 00:06:09 |
10 | Ferma Lachesi, ohimé (Cantata) | 00:07:58 |
Interpreten der Einspielung
- Alice Borciani (Sopran)
- Ensemble Il Zabaione Musicale (Ensemble)