Kurt Atterberg
Aladin
Märchenoper in drei Akten
cpo 555 161-2
2 CD • 2h 00min • 2017
03.07.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Als Schöpfer von Opern dürfte der Schwede Kurt Atterberg (1887-1974), der im Hauptberuf Ingenieur war, von 1912 bis 1968 am Königlichen Patentamt arbeitete und das Handwerk des Komponierens mehr oder weniger autodidaktisch erlernte, bei uns kaum jemandem ein Begriff sein. Seine lange ebenfalls in Vergessenheit geratenen 9 Sinfonien sind dagegen in den letzten Jahren durch mehrere Einspielungen wieder ins Bewusstsein der Musikfreunde gerückt. Und jetzt kommt in einer Produktion des Staatstheaters Braunschweig sein Aladin als CD heraus, eine Märchenoper nach 1001 Nacht. Eine echte Überraschung!
Faszination für Exotisches
Atterbergs Faszination von exotischen Stoffen wurde geweckt, als er 1912 Rimsky-Korsakovs Scheherazade hörte. Er schrieb daraufhin selbst orientalische Suiten und die Schauspielmusik zu Gozzis Turandot. Die Idee zu einer Vertonung des Aladin-Märchens entstand erst 1936 bei einem Aufenthalt des Komponisten in Bayern, wo ihm die erfahrenen, oft als Tandem arbeitenden Librettisten Bruno Hardt-Warden und Ignaz Michael Welleminsky den Stoff nahelegten. Letzterer hatte schon am Buch zu Atterbergs vorangegangener Oper Fanal mitgewirkt. Da er Jude war, durfte sein Name vom Verlag aber nicht genannt werden. Das Libretto zu Aladin beweist, auch in der genauen Beschreibung der Szenerie, viel Theaterinstinkt und Knowhow und ist reich an Kontrasten und musikaffinen Situationen – ein Zauberspektakel mit farbigen Volksszenen und folkloristischen Tänzen und natürlich einer rührenden Liebesgeschichte mit gloriosem Happy End.
Musikalische Eigenart
Atterberg wird musikhistorisch als Spätromantiker eingeordnet, wogegen er sich aber zeitlebens wehrte. Ihm war der schwülstige Ton der Wagner-Nachahmer ebenso zuwider wie die verkopfte Zwölftonmusik. Er verband einen nordisch kühlen Kopf mit der Liebe zu südländischer Sinnlichkeit. Als Symphoniker war er ein Bewunderer von Brahms und Dvořák, in der vorliegenden Oper, die formal noch ganz in der Tradition des 19. Jahrhunderts verharrt, werden auch modernere Einflüsse erkennbar. Natürlich ist das Vorbild Rimsky-Korsakov nicht zu leugnen, die Prinzessin Laila weist manche Ähnlichkeit mit der Königin von Schemacha in Der goldene Hahn auf. Bleibt sein Exotismus in melodischer und harmonischer Hinsicht noch relativ konventionell, so reicht er in seinem Klangfarbenreichtum an Zeitgenossen wie Korngold und Schreker heran, und in der Grotte, wo Aladin allerlei Schmuck und die Wunderlampe findet, erinnert der entfesselte Klangzauber an Bartóks Herzogs Blaubarts Burg.
Kaum gespielt
Nach der Uraufführung in Stockholm (18. März 1941), die nur einen Achtungserfolg brachte, und der enthusiastisch aufgenommenen deutschen Premiere in Chemnitz (18. Oktober desselben Jahres) verschwand Aladin, auch kriegsbedingt, von den Spielplänen und geriet nach 1945 gänzlich in Vergessenheit. In Schweden, weil der vorher im Musik- und Kulturbetrieb sehr einflussreiche Atterberg wegen seiner Nähe zu den Nazis in Ungnade gefallen war, in Deutschland vor allem wegen seiner rückwärtsgewandten Ästhetik. Bei der Aufführung in Braunschweig, deren Mitschnitt hier vorliegt, handelt es sich erst um die dritte Produktion des Werkes überhaupt, der seither keine weiteren gefolgt sind. Was sehr merkwürdig ist, denn der eindeutige Erfolg dieser Aufführung hat nicht nur die Bühnentauglichkeit der Oper unter Beweis gestellt, sondern auch den Schluss zugelassen, dass sie eine Bereicherung fürs Repertoire auch mittlerer und kleiner Theater darstellen könnte.
Überzeugende Umsetzung
Über die Inszenierung des polnischen Kultregisseurs Andrej Woron, der das Märchen im Heute zwischen Neukölln, Orient und China spielen ließ, waren die Meinungen der Kritik sehr geteilt, einig waren sie im Lob des Ensembles und vor allem des Orchesters. Jonas Alber, der von 1998-2007 GMD in Braunschweig war, kehrte bei dieser Gelegenheit an sein früheres Haus zurück und entfaltete nicht nur den spezifischen instrumentalen Klangzauber der Partitur, sondern gab auch der Szene die notwendigen dramatischen Impulse, ohne die Sänger zuzudecken. Bei dem Titelhelden des südkoreanischen Tenors Michael Ha fehlt mir indes der lyrische Schmelz und das jünglingshafte Charisma, während die Südfranzösin Solen Mainguené als Laila unter weitgehender Vernachlässigung der sprachlichen Klarheit ihren bestrickenden Sopran üppig aufleuchten lässt. Für den schurkischen Großwesir Muluk besitzt der ukrainische Bariton Oleksandr Pushniak die angemessene sinistre Klangfarbe, der türkische Bassist Selçuk Hakan Tiraşoğlu kann als Geist der Lampe, der zuerst als blinder Bettler die Szene betritt, bei Bedarf stimmgewaltig auftrumpfen.
Ekkehard Pluta [03.07.2023]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Kurt Magnus Atterberg | ||
1 | Aladin (Märchenoper in drei Akten) | 02:00:00 |
Interpreten der Einspielung
- Michael Ha (Aladin - Tenor)
- Frank Blees (Nazzredin, Sultan von Samarkand - Baß)
- Solen Mainguené (Prinzessin Laila, Sultan Nazzredins Tochter - Sopran)
- Oleksandr Pushniak (Muluk, Großwesir - Bariton)
- Selçuk Hakan Tiraşoğlu (Der blinde Bettler - Baß, Dschababirah - Baß)
- Justin Moore (Balab, Muluks Freund - Tenor, 1. Ausrufer - Tenor)
- Patrick Ruyters (Derim, Muluks Freund - Bariton, 2. Ausrufer - Bariton)
- Yuedon Guan (1. Muslim - Bariton)
- Franz Reichetseder (2. Muslim - Bariton)
- Chor des Staatstheaters Braunschweig (Chor)
- Staatsorchester Braunschweig (Orchester)
- Jonas Alber (Dirigent)