Emilie Mayer
String Quartets Vol. 1
cpo 555 600-2
1 CD • 72min • 2021
24.07.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Emilie Mayers (1812-1883) acht Symphonien sind nicht alle erhalten. Auch von ihren wohl bis zu 14 Streichquartetten liegen lediglich sieben in ihrer gedachten Form vor. Zudem ist bei allen das genaue Entstehungsjahr nur in etwa abzuschätzen. Dass sich die finanziell unabhängige, hauptberufliche Komponistin überhaupt in die beiden bis dato klar von Männern dominierten Gattungen vorwagte, war nicht nur mutig, sondern galt seinerzeit fast schon als Affront. Trotz hoher Zustimmung, die musikalische Qualität ihrer diesbezüglichen Beiträge betreffend, konnte sich Mayer damit nie durchsetzen und verlegte sich ab Mitte der 1850er Jahre ganz auf weniger „verfängliche“ Kammermusik.
Erste Folge der Streichquartette mit sukzessiver Steigerung
Der cpo-üblich hervorragende Booklettext (Bert Hagels) bietet nicht nur eine konzentrierte Einführung in Leben und Werk der Komponistin, sondern außerdem detaillierte, formale Analysen sämtlicher Sätze der drei hier eingespielten Streichquartette. Diese zeigen eine – deutliche – sukzessive Steigerungskurve sowohl hinsichtlich der zunehmenden Freiheiten der Form, die sich die Komponistin nimmt, als auch des emotionalen Gehalts dieser hintergründigen Musik. Wenn diese Werke dennoch in einem relativ kurzen Zeitraum von kaum mehr als zehn Jahren entstanden sein dürften, ist diese enorme Entwicklung, analog zu Mayers Symphonien, schon mehr als erstaunlich. Wirkt im Streichquartett G-Dur noch die Beschäftigung mit Haydn und Mozart nach, ist bereits das A-Dur-Quartett voll von Innovationen und ganz persönlicher Ausdruckskraft – mit einem durchkomponierten Scherzo und einem recht unkonventionellen Finale.
Brillantes Streichquartett in e-Moll
Das Streichquartett in e-Moll, chronologisch von den drei präsentierten Werken offensichtlich das späteste und reifste, erfuhr eine grundlegende Umarbeitung. Hiermit gelingt Emilie Mayer ein wirklich großer Wurf von sich schon im Kopfsatz präzise entwickelnder Dramatik, die im erneut sehr eigenwilligen Finale eine nochmals konzisere Verschärfung erfährt. Und wie in ihrer Symphonie f-Moll (Nr. 7) denkt die Komponistin nicht im Traum daran, am Schluss etwa in die Dur-Sphäre zu wechseln. Egal, warum das in Salzburg gegründete Constanze Quartett um die Violinistin Emeline Pierre Larsen mit Musikerinnen aus vier verschiedenen Ländern quasi bei jeder neuen CD auffällig in seiner Besetzung fluktuiert: Das Ensemble hält sein hohes Niveau, das es etwa in der Gesamtaufnahme der Streichquartette Felix Draesekes demonstriert hat, ungebrochen. Seine Lust an der Wiederentdeckung zu Unrecht „vergessener“ Quartett-Literatur führt auch hier wieder zu einem rundum befriedigenden, musikalisch hochengagierten Ergebnis, das aufnahmetechnisch ebenso überzeugt. Strukturell klar und mit jederzeit nachvollziehbarer, empathischer Emotionalität, die dabei nie zur Übertreibung neigt, erschließen die Musikerinnen Mayers Werke exemplarisch. Einmal mehr erweist sich die Beschäftigung mit dieser wohl bedeutendsten deutschen Komponistin des 19. Jahrhunderts als beglückende Erfahrung und widerlegt alle möglicherweise immer noch gehegten Gender-Vorurteile.
Martin Blaumeiser [24.07.2023]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Emilie Mayer | ||
1 | Streichquartett G-Dur | 00:21:38 |
5 | Streichquartett A-Dur | 00:24:41 |
9 | Streichquartett e-Moll | 00:25:16 |
Interpreten der Einspielung
- Constanze Quartett (Streichquartett)