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Besprechung CD

Meyer • Shostakovich

Works for Cello and Piano

Kaleidos KAL 6363-2

1 CD • 73min • 2022

14.03.2023

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Nach einer CD mit selten gespielten Cellosonaten der deutschen Romantik wendet sich das Duo Joanna Sachryn und Paul Rivinius auf seinem zweiten Album der osteuropäischen Moderne zu. Die Kombination von Sonaten des polnischen Komponisten Krzysztof Meyer (Jg. 1943) sowie von Dmitri Schostakowitsch ist dabei stimmig gewählt, denn Meyer hat nicht nur eine recht populäre Schostakowitsch-Biographie verfasst, sondern knüpft (nach einem eher avantgardistisch orientierten Frühwerk) in seinem Schaffen auch an Schostakowitsch an, weniger in Bezug auf die konkreten musikalischen Mittel, sehr wohl aber im expressiven Gestus seiner Musik.

Eindrucksvolle, spannungsgeladene Atmosphärik

Meyers Cellosonate Nr. 1 op. 63, entstanden 1983 (eine zweite Sonate folgte 2004), ist ein atmosphärisch dichtes, eindrucksvolles Werk. Ausgesprochen einprägsam gleich die angespannte Stille des Beginns mit charakteristischen flackernden Gesten in den hohen Lagen des Klaviers; eine brütende, lauernde Stimmung, als läge etwas in der Luft. Wenn man den Vergleich mit Schostakowitsch sucht, könnte man hier auf den ersten Satz von dessen Sinfonie Nr. 11 verweisen, mit der die Sonate übrigens die zentrale Tonalität G teilt. Auch der zweite Satz ist eine nervöse Musik der mal grell auffahrenden, mal halb unterdrückten, dahinhuschenden Gesten. Sachryn und Rivinius liefern eine kompetente, die spezifische Atmosphärik dieses Werks präzise realisierende Interpretation, die den Grat zwischen den grundsätzlich kantablen Linien im Cello und dem unruhigen Stocken dieser Musik gekonnt ausbalanciert. Wenn es im ausgedehnten Finale zur großen Kulmination kommt, bei der das Cello einige Minuten lang geradezu obsessiv den Ton G umkreist, flankiert von wuchtiger Akkordik und dröhnenden Oktaven in tiefen Lagen des Klaviers (was dann aber schließlich zu keiner Lösung der Konflikte führt, sondern zur Rückkehr des Beginns), könnte der sich hier entladende Spannungsbogen mit noch größerer Vehemenz und Konsequenz realisiert werden, so wie etwa in der Aufnahme von Reimund Korupp und Krzysztof Meyer selbst am Klavier (ambitus). Insgesamt handelt es sich jedoch um eine sehr gute Neueinspielung. Meyers Drei mal vier op. 123, ein Geschenk zum 60. Geburtstag von Julius Berger, knüpft direkt an die Thematik des zweiten Satzes der Sonate an, hier aber eher in der Manier eines kurzen Scherzos; eine willkommene Ersteinspielung.

Lyrisch grundierte Interpretationen

Auch von Schostakowitsch haben Sachryn und Rivinius (natürlich) dessen Cellosonate d-moll op. 40 ausgewählt. Ihre Lesart des Werks ist eher verhalten, lyrisch grundiert; was dabei allerdings etwas zu kurz kommt, ist die pointierte Nonchalance, die die Sonate eben auch auszeichnet. Es handelt sich ja um ein Werk, das – obschon umfänglicher konzipiert – recht eng mit Schostakowitschs 24 Präludien für Klavier op. 34 verwandt ist; auch hier (und gerade in den Sätzen 2 und 4) hat die Musik oftmals etwas von Glossen, Karikaturen, gepaart mit einer gewissen Leichtigkeit, Esprit und Elan, ganz deutlich zum Beispiel in den Flageolett-Effekten im Trio des Scherzos. Diese Seite der Musik kommt in der Einspielung durch Rostropowitsch und den Komponisten am Klavier (speziell im Finale übrigens mit irrwitzigen Tempi, die auf Schostakowitsch selbst zurückgehen) ein gutes Stück deutlicher zum Tragen. Im Kopfsatz könnten die weiten melodischen Linien etwas fließender realisiert werden; gut gelungen der langsame Satz. Kurioserweise bezeichnet das (weitgehend solide) Beiheft das Finale als „pompöses Paradestück“, was schwer nachvollziehbar erscheint: das Rondothema ist ja geradezu dezidiert klassizistisch, natürlich dann konfrontiert mit allerhand temperament- und effektvollen, manchmal geradezu schmissigen Couplets, mal im Stile einer Tarantella, mal in Anlehnung an Unterhaltungsmusik der 1920er Jahre, ein packendes, dynamisches Spiel der Stilisierungen.

Empfehlenswerte Veröffentlichung

Auch von Schostakowitsch enthält die CD einige kürzere Beigaben, wobei der auf den Verlag Sikorski zurückgehende Titel Elf Stücke für Violoncello und Klavier irreführend ist: es handelt sich hier keineswegs um einen wirklichen Zyklus, sondern im Wesentlichen um eine Zusammenstellung von Bearbeitungen (m.E. nicht nur vom in der Trackliste genannten litauischen Cellisten Juozas Čelkauskas, sondern auch z.B. von Lewon Atomjan). Das einzige Original darunter ist das kurze Moderato in a-moll, das wohl im Umfeld der Sonate entstand; bemerkenswert ist natürlich einmal mehr, wie stark Schostakowitschs Persönlichkeit auch in den sechs weiteren hier eingespielten Miniaturen bei aller Kürze durchscheint. Die Klangqualität der CD entspricht sehr guten modernen Standards. Allein schon wegen Meyers sehr hörenswerter Sonate – m.E. einer der profiliertesten Gattungsbeiträge der letzten 50 Jahre – ist dies eine empfehlenswerte Veröffentlichung.

Holger Sambale [14.03.2023]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Krzysztof Meyer
1Sonate op. 62 00:26:16
4Three times four op. 123 00:05:41
Dimitri Schostakowitsch
5Die mechanische Puppe (aus: Elf Stücke für Violoncello und Klavier) 00:00:54
6Drehorgel (aus: Elf Stücke für Violoncello und Klavier) 00:00:53
7Sarabande (aus: Elf Stücke für Violoncello und Klavier) 00:01:45
8Gigue (aus: Elf Stücke für Violoncello und Klavier) 00:01:36
9Nocturne (aus: Elf Stücke für Violoncello und Klavier) 00:03:50
10Moderato (aus: Elf Stücke für Violoncello und Klavier) 00:03:11
11Sonate d-Moll op. 40 für Violoncello und Klavier 00:28:35

Interpreten der Einspielung

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