Pisendel
Concerti grossi, Sonatas & Sinfonias
Berlin Classics 0302808BC
1 CD • 72min • 2021
09.03.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Den Namen Pisendel hat man womöglich im Zusammenhang mit den Konzerten Antonio Vivaldis mit dem Zusatz „fatto per il Sig. Pisendel“ gehört. Auch wird des öfteren vermutet, dass J. S. Bach seine 6 Sonaten und Partiten für Solo-Violine für den Dresdner Konzertmeister schrieb. Geiger wissen möglicherweise, dass Johann Georg Pisendel (1687-1760) neben Vivaldi, Pietro Locatelli und Jean-Marie Leclair zu den bedeutendsten Geigern des 18. Jahrhunderts gehört. Dass er auch hinreißend zu komponieren vermochte, zeigt die vorliegende CD.
Ein Franke in Italien und Sachsen
Pisendel stammte aus der Nähe von Fürth und kam mit zehn Jahren als Chorknabe an den Hof von Ansbach. Dort unterrichtete ihn der Konzertmeister der Hofkapelle, Giuseppe Torelli, der in seinen Concerti erstmalig eine Solo-Violine dem Orchester gegenüberstellte, und übernahm ihn nach dem Stimmbruch in sein Ensemble. Über Stellen in Weimar, Eisenach, Darmstadt kam er mit den damals aufstrebenden Komponisten Johann Seb. Bach, Georg Philipp Telemann und Christoph Graupner in Kontakt. 1711 erhielt er eine Stelle als Vize-Konzertmeister in der für Europas Instrumentalensembles vorbildlichen Dresdner Hofkapelle, deren Konzertmeister er ab 1731 wurde. 1715 wurde ihm eine einjährige Fortbildung bei Vivaldi in Venedig genehmigt, woraus sich eine langjährige Freundschaft ergab. Möglicherweise inspirierte seine Solo-Sonate von 1717 die Sonaten und Partiten Bachs.
Reiche musikalische Erfindung
Pisendels Violinkonzerte sind in der Form weniger schematisch als die Vivaldis und zumeist technisch anspruchsvoller. Er führt die Geige bis zum a3 und ähnlich wie Bach schreibt er viele Verzierungen aus, was laut dem Bach-Schüler Johann Friedrich Agricola, der eine umfangreiche Biographie Pisendels verfasste, daran lag, dass ihm spontan meist nicht das Rechte einfiel. Somit sind sie auch aus aufführungspraktischer Sicht höchst bedeutend. Seine melodische Erfindung ist galanter und gesanglicher. Minimalistische endlose Sequenzketten, die bei Vivaldi nerven können, verwendet er kaum. Seine Orchestersonate c-moll zeigt ihn als brillanten Kontrapunktiker, was eventuell auf Konkurrenz zu Jan Dismas Zelenka gedeutet werden kann. Dass er den französischen Stil ebenfalls beherrschte, beweist seine „Imitation de quelques Charactères de la Danse“.
Hinreißende Ersteinspielungen
Die japanische Barockgeigerin Mayumi Hirasaki lehrt ihre Fachkollegen mit exzellenter Technik, souveräner Bogenführung, intelligenter Umsetzung der Affekte, deutlicher Phrasierung, präziser Artikulation und stilsicherer Ornamentik das Fürchten. Virtuoser und eleganter kann man diese Musik nicht interpretieren. Dass sie auch über Führungsqualitäten verfügt, beweisen die vom Concerto Köln unter ihrer Anleitung höchst klangschön und ohne Aufgesetztheiten interpretierten Orchesterwerke. Hierbei sind die Konzerte in B- und Es-Dur Weltersteinspielungen.
Das Booklet glänzt mit präzisen Besetzungsangaben und einem schlecht lesbaren Schrifbild. Die Aufnahmetechnik hält ebenfalls das hohe Niveau der Interpretationen.
Fazit: Eine hinreißende CD mit meist unbekannten Werken, die sich hinter Graupner und Telemann keinesfalls verstecken müssen. Pflichtkauf für Streicher sowie für alle Freunde des Hoch- und Spätbarock.
Thomas Baack [09.03.2023]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Georg Pisendel | ||
1 | Fanfare | 00:00:56 |
2 | Violinkonzert D-Dur | 00:12:57 |
5 | Violinsonate c-Moll | 00:05:06 |
7 | Violinkonzert B-Dur | 00:13:56 |
10 | Imitation des Caracteres de La Danse | 00:04:35 |
11 | Violinkonzert Es-Dur | 00:12:29 |
14 | Sinfonia B-Dur | 00:10:45 |
17 | Violinsonate D-Dur | 00:11:03 |
Interpreten der Einspielung
- Concerto Köln (Orchester)
- Mayumi Hirasaki (Dirigent)