Vienna 1913
Brahms • Berg • Kornauth • Korngold
CAvi-music 8553517
1 CD • 60min • 2020
29.11.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Kilian Herold und Hansjacob Staemmler kombinieren ihr Recital-Programm für Klarinette und Klavier um zwei 1913 entstandene Werke herum: die quasi-aphoristischen Vier Stücke op. 5 von Alban Berg und die erstmalig eingespielte, mit derselben Opuszahl versehene Klarinetten-Sonate f-Moll von Egon Kornauth. Hinzu kommen die Sonate op. 120/1 von Johannes Brahms, die in beiden Werken unterschiedliche Spuren hinterließ und zwei Bearbeitungen von Liedern Erich Wolfgang Korngolds.
Wiederentdeckte Sonate
Das interessanteste Stück dieser Aufnahme ist die pfiffige Klarinettensonate op. 5 in f-Moll von Egon Kornauth (1891-1959), die sich einerseits spätromantisch gibt, diese Spätromantik jedoch im Sinne des Jugendstils ironisiert. Kornauth, bereits zu Gymnasialzeiten mit Cello, Trompete, Klavier und Orgel vertraut, studierte bei Robert Fuchs und Franz Schreker in Wien Komposition und vertiefte das Studium später bei Franz Schmidt. Zusätzlich wurde er an der Universität bei Guido Adler mit einer Arbeit über Joseph Haydn im Fach Musikwissenschaft promoviert.
Seine Sonate lehnt sich in Tonart und Duktus klar an Brahms‘ Sonate gleicher Tonart an. Auch hier gehen wesentliche Impulse von Tanzrhythmen aus. Die Harmonik jedoch hat einen – uns heute jazzig dünkenden – impressionistischen Einschlag. Diesem tonalen Werk stellen die Interpreten die im selben Jahr entstandenen Vier Stücke für Klarinette und Klavier op. 5 von Alban Berg gegenüber. Diese sind als Aphorismen nach dem Vorbild der Klavierstücke op. 19 von Arnold Schönberg konzipiert, geben sich jedoch wesentlich sinnlicher und emotionaler. Überhaupt ist ja Berg derjenige Komponist, der aus dem konstruktivistischen Überbau der Zweiten Wiener Schule den musikalischten Nektar zu saugen verstand.
Gelungene, etwas kühle Interpretation
Kilian Herold und Hansjakob Staemmler musizieren die Werke gekonnt und interpretieren analytisch. Dabei bleibt die für Brahms unbedingt erforderliche Wärme auf der Strecke, was jedoch wegen der Vorbildwirkung für Kornauth und Berg schlüssig ist. Interessanterweise gelingt den beiden Interpreten bei den Berg-Stücken die sinnlichste Interpretation, sodass diese wiederum romantisch wirken. Die Korngold-Lieder machen sich auch instrumental recht gut, könnten aber ebenfalls einen Schuss mehr Klangerotik vertragen. Eigenwillig, aber warum eigentlich nicht.
Auch die recht direkte Aufnahmetechnik des SWV trägt ein wenig zum kühlen Eindruck bei. Der Booklet-Text ist hervorragend – jedoch nur für denjenigen, der des Englischen mächtig ist. Dafür erhält die Gesamtnote von mir einen Punktabzug.
Fazit: Modellhafte Ersteinspielung der Kornauth-Sonate, somit Pflichtkauf für Klarinettisten. Demonstration, wie man die Berg-Stücke schön und spannend gestalten kann, ohne den Hörer zu verschrecken. Brahms und Korngold sehr unterkühlt.
Thomas Baack [29.11.2022]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Egon Kornauth | ||
1 | Sonate f-Moll op. 5 für Klarinette und Klavier | 00:22:53 |
Alban Berg | ||
2 | Vier Stücke op. 5 für Klarinette und Klavier | 00:07:48 |
Johannes Brahms | ||
9 | Klarinettensonate f-Moll op. 120 Nr. 1 | 00:22:56 |
Erich Wolfgang Korngold | ||
13 | Liebsbriefchen op. 9 Nr. 3 (arr. Kilian Herold) | 00:01:58 |
14 | Sterbelied op. 14 Nr. 1 (arr. Kilian Herold) | 00:03:50 |
Interpreten der Einspielung
- Kilian Herold (Klarinette)
- Hansjacob Staemmler (Klavier)