Scriabin
The Poem of Ecstasy • Prometheus
BIS 2362
1 CD/SACD stereo/surround • 56min • 2017, 2006
04.01.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Wenn es Stücke gibt, in welchen sich die phänomenalen Qualitäten der BIS-Aufnahme- und Abmischungstechnik ganz besonders lohnen, sind es die beiden wichtigsten Orchesterwerke Alexander Skriabins, die hier in sehr hochkarätigen Darbietungen mit sensationellem Klangbild dokumentiert sind. Das Album könnte ohne jede Prätention auch schlicht ’Scriabin the Ecstatic’ heißen.
Frappierend aufschlussreiche Programmfolge
Die Zusammenstellung ist allerdings ungewöhnlich, denn zwischen die zwei so gigantischen wie kompakt geformten Meisterwerke Poème de l’extase und Prométhée. Poème du feu ist die gleichfalls einsätzige 5. Klaviersonate eingeschoben, mit welcher zugleich die stärkste Phase in Skriabins Klavierschaffen beginnt. Musikalisch ist diese Kopplung fabelhaft, denn diese direkt nach dem Poème de l’extase innerhalb von weniger als einer Woche im Höhenflug der Inspiration komponierte Sonate zeigt sich so in den frappierenden Facetten ihrer nahen Verwandtschaft, wie man dies sonst kaum wahrnehmen dürfte.
Solist in der Sonate und im Prométhée ist Yevgeny Sudbin, mit dessen ausgezeichneten Darbietungen uns BIS ja regelmäßig beglückt, und tatsächlich ist er hier wieder ein Glücksfall. Mein einziger Einwand ist, dass der Klang in der Sonate ein bisschen zu schnell ins Harte, Martialische umschlägt, wo bis zum Fortissimo und darüber hinaus ein Nuancenreichtum zu wünschen wäre, der ihm eigentlich zu Gebote steht.
Ekstatische Abenteuerreise, körperlich spürbar
So gut mir ansonsten seine Aufführung der 5. Sonate in vielen Aspekten gefällt, sind doch die beiden großen Tonpoeme, die auch immer wieder als Symphonien Nr. 4 und 5 bezeichnet werden – und dies in einem sehr modernen Sinne auch sind –, die wahren Höhepunkte des Albums. Nicht nur, dass das Singapore Symphony Orchestra sich unter seinem bewährten Leiter Lan Shui wieder einmal als ein Toporchester präsentiert, das vor nichts zurückzuscheuen braucht. Es ist dem chinesischen Maestro gelungen, die Musik mit einer überschäumenden Lust am fortwährenden Risiko aufzuladen, wir werden auf eine Abenteuerreise mitgenommen, die mit so elementarer Wucht und Freude, aber auch Zerbrechlichkeit ausgekostet wird, dass man wie selten sonst verstehen kann, wie Skriabin eine eigene Welt spiritueller Vibration schuf, in welcher er die große Zukunft der gesamten Musik erblickte – worin ihm außer seinem nicht weniger visionären britischen Zeitgenossen John Foulds nur ganz Wenige folgen konnten, und was ihm bis heute viel Skepsis und auch Spott eingetragen hat. Nein, das ist ganz große Musik, und hier geradezu körperlich spürbar von einer Brisanz, die von Strawinsky, Bartók oder Prokofieff nicht übertroffen wurde. Die haben anders geschrieben, aber weder origineller noch mitreißender oder besser.
Ich will Lan Shui gar nicht mit den großen Skriabin-Helden Stokowski oder Mitropoulos vergleichen, auch keineswegs behaupten, die wunderbaren Aufnahmen des Russian National Orchestra unter Pletnev würden hier übertroffen. Das ist nämlich nicht nötig. Diese Neuaufnahme existiert mit ihrem ganz eigenen Recht für sich und fesselt sowohl unmittelbar als auch dauerhaft. Dirigent und Orchester bieten einen meisterhaft souveränen und intensiven Auftritt. Und tontechnisch ist das Ganze schlicht phänomenal realisiert. Was will man mehr?
Christoph Schlüren [04.01.2023]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Alexander Scriabin | ||
1 | Le poème de l'extase op. 54 | 00:21:52 |
2 | Klaviersonate Nr. 5 Fis-Dur op. 53 | 00:01:06 |
3 | Prometheus op. 60 für Klavier, Chor und Orchester (Le poème du feu) | 00:22:17 |
Interpreten der Einspielung
- Yevgeny Sudbin (Klavier)
- Singapore Symphony Chorus (Chor)
- Singapore Symphony Youth Choir (Chor)
- Singapore Symphony Orchestra (Orchester)
- Lan Shui (Dirigent)