Chamber Music for Oboe, Bassoon & Piano
Françaix Schnyder Poulenc Villa-Lobos
Ars Produktion 4260052383025
1 CD/SACD stereo/surround • 54min • 2019
19.07.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Christoph Hartmann, Matthias Rácz und Alina Kirichenko präsentieren auf ihrer neuen CD Kammermusik für Oboe und Fagott, die in zwei Werken durch das Klavier zum Trio erweitert wird. In ihrer Stilistik basieren die vier Kompositionen – obwohl zwischen 1926 und 2019 entstanden – auf der Ästhetik des französischen Neoklassizismus der 1920er Jahre, der klassische und barocke Klangfiguren auf ironisch-witzige Weise elegant mit populären Idiomen aus Café Chantant und Music Hall verwob.
Virtuosität, Witz und Kondition
Der Grund, dass Bläser-Kammermusik in Frankreich nach dem Ersten Weltkrieg populär wurde, liegt einerseits in der Tendenz zur neuen Sachlichkeit, die die Klarheit der Bläser dem romantischen Schwelgen der Streicher vorzog. Andererseits wurde durch die Adaption des Klappensystems der Böhm-Flöte auf Oboe und Fagott durch Charles Triébert die Intonation verbessert und die Ansprache der Töne in der allerhöchsten Lage wesentlich erleichtert. Bis auf die Wiener Philharmoniker, die auch heute noch weiterentwickelte Barockoboen deutschen Typs spielen, hat sich seit 1950 in allen anderen Orchestern die französische Oboe als Standard durchgesetzt. Ohne diese Instrumente wäre das flinke Des-Dur im Finale des Trios von Françis Poulenc von 1926 unspielbar.
Bei Fagotten hingegen ist es umkehrt. Dort stellt die deutsche Variante in der Form, die sie durch Wilhelm Heckel erhielt, den heutigen Standard dar.
Die Trios mit Klavier von Françis Poulenc und Jean Françaix könnten von Höreindruck, Klanglichkeit und Satzanlage zeitgleich entstanden sein. Dies stellt sich jedoch als Irrtum heraus, denn Françaix schrieb sein Trio erst 1994 im Auftrag der Double Reed Society. Somit ist es das Werk eines Mittachtzigers, der sich in seine Jugend zurückträumt. Beide Werke erfordern blitzschnelles Reaktionsvermögen und Witz für ihre ironischen Brechungen wohlvertrauten Materials. Die beiden Duos von Daniel Schnyder und Heitor Villa-Lobos fordern zusätzlich zur Virtuosität vor allem Kondition in Atemapparat und Lippenmuskulatur, da Verschnaufpausen mangels Klavier den Spielern weitestgehend versagt sind. Dabei ist die Suite sinfonique (2019) von Schnyder, das spielerischere, der Villa-Lobos hingegen das linearere Werk, das ein wenig an den mittleren Hindemith erinnert und nur wenig brasilianischen Charme verströmt.
Spielkultur ersten Ranges
Christoph Hartmann, der bereits vor 15 Jahren mit einer hinreißenden, den hypervirtuosen Opernfantasien von Antonio Pasculli gewidmeten CD überzeugen konnte, glänzt auch hier durch schlackenlosestes, bis in die höchsten Lagen (fis3 im Villa-Lobos!) klangschönes, meisterliches Oboenspiel. Sein Fagottpartner Matthias Rácz, 1. Preisträger im ARD-Wettbewerb, steht ihm keinesfalls nach und kann auch bei den heiklen Doppelzungen-Passagen Kontra geben, sodass hier musikalische Konversation auf allerhöchstem Niveau Wirklichkeit wird. Alina Kirichenko trifft den schlank-trockenen, klaren Tonfall französischer Pianistik exakt, sodass ein wunderbar stimmiges Musizieren entsteht.
Die hervorragende Aufnahmetechnik und das informative Booklet runden den höchst positiven Gesamteindruck ab.
Fazit: Für Oboisten und Fagottisten klarer Pflichtkauf, aber auch allen anderen als vorbildliche Kammermusikproduktion dringend empfohlen.
Thomas Baack [19.07.2022]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Jean Françaix | ||
1 | Trio für Oboe, Fagott und Klavier | 00:24:18 |
Daniel Schnyder | ||
5 | Suite Symphonique für Oboe und Fagott | 00:18:51 |
Francis Poulenc | ||
9 | Trio op. 43 für Oboe, Fagott und Klavier | 00:18:36 |
Heitor Villa-Lobos | ||
12 | Duo W 535 für Oboe und Fagott | 00:17:54 |
Interpreten der Einspielung
- Christoph Hartmann (Oboe)
- Matthias Rácz (Fagott)
- Anna Kirichenko (Klavier)