Allan Pettersson
Barfotasånger
BIS 2584
1 CD/SACD stereo/surround • 72min • 2021
15.06.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Er war ein Monolith innerhalb der Musik des 20. Jahrhunderts, ein Eigenbrötler, der in keine „Schublade“ passte. Der Schwede Allan Petterson (1911-1980), der sich aus ärmlichsten Verhältnissen – zunächst autodidaktisch – zu einem führenden Komponisten seines Landes hocharbeitete, zählte später Größen der Moderne wie Arthur Honegger, Darius Milhaud, Olivier Messiaen und vor allem Karl Birger Blomdahl und René Leibowitz zu seinen Lehrern, doch ungeachtet dieser Ausbildung blieb sein eigener Stil von der musikalischen Avantgarde seiner Zeit völlig unberührt. 17 Sinfonien, davon die erste (1951) und die letzte (1980) unvollendet, sprengen in Form und Ausdehnung (einsätzige Anlage mit Spieldauer von einer Stunde) oftmals die Standards der Gattung und bleiben der Tonalität verpflichtet. Das schmale Liedschaffen (hier auf einer CD vereinigt) stammt aus einer frühen Schaffensphase, wirkte aber teilweise auf die Werke seiner Reifezeit ein.
Kunstvolle Einfachheit
Die Sechs Lieder für Stimme und Klavier schrieb Pettersson als 24jähriger Student am Stockholmer Konservatorium, wo er die Fächer Violine, Viola, Harmonielehre und Kontrapunkt belegt hatte, aber noch nicht an Kompositionsunterricht dachte. Sie waren ursprünglich nicht als Zyklus konzipiert, gehen auf sehr unterschiedliche Lyriker seiner Zeit zurück und wechseln in Themen und Stimmungen - talentvoll in den melodischen Eingebungen und in der harmonischen Behandlung, mit einer sorgfältigen Ausarbeitung des Klavierparts. Besonders berührend ist der letzte und längste Titel, Mein Herz braucht ein kleines Kind. In seinem konzisen und sehr informativen Booklet-Text weist Per F. Broman darauf hin, dass die Lieder Petterssons einen starken autobiographischen Bezug haben und er in ihnen Stationen seiner nicht einfachen Kindheit und Jugend aufarbeitet.
Das gilt mehr noch für seinen Zyklus Barfotasånger (Barfußlieder) auf eigene Texte, der in den Jahren 1943-45 entstand, als er hauptberuflich als Bratscher bei der Stockholmer Philharmonischen Gesellschaft (den späteren Königlich Stockholmer Philharmonikern) tätig war. 24 Lieder, meist strophisch und mit einfacher Klavierbegleitung, behandeln Themen wie Liebe, Tod, Familie, Natur. Oft wurden von den Interpreten Parallelen zu Schuberts Zyklus Winterreise gezogen, denn auch in Petterssons Gedichten spielt der Winter eine wichtige Rolle und der Werktitel weist sogar explizit auf „Barfuß auf dem Eise“ aus dem Lied Der Leiermann hin. Doch handelt es sich bei Barfußlieder nicht um eine durchgängige Erzählung und die einfache Form hat auch keinen Kunstliedcharakter, sondern ist dem Volkslied nachempfunden, dem „visa“ (ein mir bis dato nicht geläufiger Begriff), einem schwedischen Genre, das in der Tradition der Gesänge Carl Michael Bellmans steht. Wie wichtig Pettersson diese frühen Lieder waren, zeigt sich darin, dass er einige von ihnen in seinem Spätwerk, in den Sinfonien Nr. 6 und 14 sowie in seinem 2. (Ida Haendel gewidmeten) Violinkonzert zitiert.
Vorzügliche Interpretation
Ob Petterssons Lieder mehr als marginale Bedeutung in seinem umfangreichen Gesamtwerk haben, gleichsam als Fußnoten zu seinen Symphonien aufzufassen sind, sei dahingestellt. Auch ob sie eine unverzichtbare Rolle im Liedrepertoire des 20. Jahrhunderts spielen, könnte ich nicht entscheiden. Doch so, wie sie im vorliegenden Recital von dem schwedischen Bariton Peter Mattei und seinem vortrefflichen Klavierpartner Bengt-Åke Lundin vorgetragen werden, kann man sie mit Vergnügen auch mehrmals hören. Die beiden Künstler präsentieren jeden Titel wie ein kleines Schmuckstück, ohne ihm die volkstümliche Einfachheit und zweite Naivität zu nehmen. Und dem Sänger zu lauschen, der nach 3 Jahrzehnten Karriere in allen Lagen noch immer unverbraucht klingt und nicht nur mit voluminösem Klang, sondern auch mit farbenreichem, fein differenzierendem Vortrag imponiert, ist eine reine Freude.
Ekkehard Pluta [15.06.2022]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Allan Pettersson | ||
1 | Det blir stilla då kråkorna dör (aus Sex Sånger für Singstimme und Klavier) | 00:02:03 |
2 | En visa i ensamhet | 00:00:55 |
3 | Pinjen och blixten | 00:01:13 |
4 | Resignation | 00:02:21 |
5 | Tillflykt | 00:01:47 |
6 | Mitt hjärta behöver et littet barn | 00:05:10 |
7 | Visa i sorgton (aus Barfüßerlieder) | 00:02:38 |
8 | Klokar och knythänder | 00:02:27 |
9 | Fattig är Mor | 00:01:10 |
10 | Kärleken går vilse | 00:03:05 |
11 | Stjärnan och gallret | 00:01:45 |
12 | Nånting man mist | 00:01:41 |
13 | Blomma, säj | 00:02:04 |
14 | Vintervisa | 00:01:29 |
15 | Liten Ska vänta | 00:02:19 |
16 | Jungfrun och ljugarpust | 00:05:02 |
17 | En spelekarls himlafärd | 00:02:08 |
18 | Du vet | 00:02:09 |
19 | Du lögnar | 00:01:51 |
20 | Herren gar pa ängen | 00:01:59 |
21 | Hundarna vid havet | 00:02:16 |
22 | Kivlynnte liten | 00:03:18 |
23 | Jag tänker på ting | 00:00:45 |
24 | Blomma vid min fot | 00:01:49 |
25 | Rymmaren | 00:02:04 |
26 | Min längtan | 00:02:11 |
27 | Nu väntar man vinter | 00:03:36 |
28 | Vännen i Söndagslandet | 00:02:42 |
29 | Mens flugorna surra | 00:02:36 |
30 | Han ska släcka min lykta | 00:01:44 |
Interpreten der Einspielung
- Peter Mattei (Bariton)
- Bengt-Åke Lundin (Klavier)