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Besprechung CD/SACD stereo/surround

Mendelssohn

Symphonies 1 & 3 'Scottish'

BIS 2469

1 CD/SACD stereo/surround • 66min • 2019

11.01.2022

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 7
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 7

Nach und nach pflügt sich das Swedish Chamber Orchestra unter dem dänischen Dirigenten Thomas Dausgaard (derzeit Chefdirigent des Seattle Symphony und des Scottish Symphony Orchestra) durch das große Standardrepertoire. Mit einem seinerzeit global sehr enthusiastisch begrüßten Beethoven-Zyklus hatte es begonnen, es folgten die Symphonien von Schubert, Schumann und Brahms, bis jetzt drei Bruckner-Symphonien, etwas Bach, Dvořák und Tschaikowsky, und nun also die zweite Mendelssohn-Folge. Wer Dausgaards Ansatz kennt, darf sich nicht wundern, dass es kracht, knallt, rattert und splittert, dass rabiat vorwärtsdrängende Tempi an der Tagesordnung sind, dass Pauken und Blech eher zum Lärm angehalten als balanciert in den Forte-Klang integriert werden. Viele dieser Charakteristika sind charakteristische Kennzeichen der selbsterklärten ‚historischen Aufführungspraxis‘. Und innerhalb dieses Kontexts besteht Thomas Dausgaard auch in reiferem Alter nach wie vor darauf, ein stürmischer Feuerkopf zu sein. So eben auch hier, also keine grundsätzliche Überraschung…

Dauerüberdruck

Ein Problempunkt der emotionalen Dauerhitze ist, dass die dynamische Architektur der Stücke nivelliert wird – so gleich im Kopfsatz der ‚Ersten‘ Symphonie in c-moll op. 11, welche im ansonsten ordentlichen Booklettext gleich zu Beginn recht unpassend benutzt wird, um ihre 12 Vorgängerwerke abzuwerten (was sollte dadurch besser werden, dass anderes schlechtgeredet wird?): Es wird von vornherein so pauschal ‚in die Vollen‘ gegangen, dass eine Steigerung nicht möglich ist und der Höhepunkt in der Durchführung keinen merklichen Spannungszuwachs mehr erfahren kann. Und das (von Mendelssohn nicht verlangte) Accelerando am Satzende ist ein äußerlich draufgesetzter Effekt à la Tschaikowsky, der vielleicht dadurch als nötig empfunden wurde, dass der Dauerüberdruck zum Beschluss irgendwie noch übertrumpft werden sollte. Im Menuett und im von Mozart inspirierten Finale ist die Grundproblematik ähnlich, und immer mangelt es in den entsprechend kontrastierenden Passagen an lyrischer Zartheit, und wenn piano und pianissimo gelegentlich wirklich so verhalten gespielt werden wie angemessen, fehlt es öfters an der melodischen Spannkraft – das gilt insbesondere für Strecken des Andante und des – erfreulicherweise im identischen Tempo genommenen – Trios des Scherzo. Insgesamt ist in dieser Symphonie zu einseitig und übertrieben die hysterische, draufgängerische Seite der Medaille hervorgekehrt.

Emotionale Einbahnstraße

Das gilt auch für die Schottische Symphonie, die durchaus auch einiges Fesselnde aufweist. Einige Einzelheiten seien kritisch genannt: Wenn die Achtelbegleitung (mit Achtelpausen dazwischen) in der elegischen Einleitung so extrem staccato gespielt wird (es stehen keine Sechzehntel da), verwundert es nicht, dass sich automatisch das Tempo beschleunigt, um danach wieder verlangsamt zu werden. Das routinierte Betonen der Formabschnitte durch dem jeweils neuen Abschnitt vorangeschickte lokale Ritardandi ist ein sehr primitives Mittel, das ganz nebenbei eine Komponente unfreiwilliger Sentimentalität einschleust und jeglicher gestalterischen Subtilität entbehrt. Das hat auch nichts mit einem musikalischen Ausdrucks-Rubato zu tun! Und dann: warum sind die schnellen Tonrepetitionen der die Klarinette begleitenden Streicher zu Beginn des schottischen Scherzos trotz der Anweisungen ‚pianissimo‘ und ‚sempre assai leggiero‘ viel zu kräftig gespielt? Wieso so übertriebene Verlangsamung am Ende des langsamen Satzes? Wieso so viel Erschlaffen des Tempos im Finale vor dem Eintritt der Maestoso-Coda, die dann im sehr straffen Tempo kaum Maestoso-Charakter entfaltet? So jedenfalls fällt dieser Satz – wie zugegebenermaßen fast immer – hoffnungslos auseinander. Und grundsätzlich: immer wieder dieses extreme Lärmen und Hauen – da darf man sich wundern, wie oft sich trotzdem eigentlich zu schwach instrumentierte Ton- und Akkordwechsel gegen die massiven Haltetöne durchsetzen können, was freilich auf die Wunderleistungen der modernen BIS-Tontechnik (Bastian Schick und Produzent Ingo Petry) zurückzuführen ist.

Ich kann mich leider des Eindrucks nicht erwehren, dass die hier vorgelegte, dauer-offensive Haltung zum Musizieren dazu tendiert, eine emotionale Einbahnstraße zu sein. Nichts gegen eine Tour de force, wo sie passt, aber hier wird bei äußerster Überspitzung des Sturm und Drang die andere, innig beseelte Seite des Komponisten weitgehend ausgeklammert. Von Thomas Dausgaard erwarte ich schon seit einiger Zeit eine überfällige Transformation. Zu gerne ließe ich mich von ihm überraschen.

Christoph Schlüren [11.01.2022]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Felix Mendelssohn Bartholdy
1Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 11 00:29:24
5Sinfonie Nr. 3 a-Moll op. 56 (Schottische) 00:36:09

Interpreten der Einspielung

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