Carl Reinecke
Complete Piano Trios
cpo 555 476-2
2 CD • 2h 04min • 2019
27.12.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Carl Reinecke (1824-1910) gehört zu den fleißigen, eher konservativen, dafür mit leichter Hand schaffenden Komponisten, die man gern als Kleinmeister abstempelt. Doch kann man vor seiner Leistung eigentlich nur hochachtungsvoll den Hut ziehen. Er war von 1860-1895 Gewandhauskapellmeister, Lehrer so bedeutender Musiker wie M. Bruch, E. Grieg, C. V. Stanford, A. Sullivan, E. Smyth, F. Delius, I. Albeniz, S. Karg-Elert, J. Röntgen und bis ins hohe Alter aktiver Konzertpianist, der noch als Achzigjähriger beachtliche Welte-Mignon-Klavierrollen einspielte. Wer es als Vater von 9 Kindern vermag, ein Œuvre mit 288 Opuszahlen zu schaffen, hat wirklich eine zutiefst beeindruckende Lebensleistung vollbracht.
Gegenpol zur Neudeutschen Schule
Reinecke war mit J. G. Rheinberger einer der Gegenpole zur neudeutschen Schule und orientierte sein Schaffen an den Fixsternen Mozart, Mendelssohn und Schumann. So folgt sein Trio op. 38 D-Dur der mendelssohnschen Form mit zwei flankierenden Sonatensätzen, einem Lied ohne Worte und einem flink-grazilen Scherzo. Jedoch vermeidet er geschickt die stereotypen 4-Takt-Perioden des Vorbilds, indem er auf unregelmäßigere, dem Klavierquintett Schumanns verwandte Motive setzt. Darauf angesprochen, antwortete er „Ich würde nicht dagegen opponieren, wenn man mich einen Epigonen nennt.“ Damit macht sich der begnadete Melodiker und souveräne Disponent von Spannung und Entspannung aber kleiner als nötig. Das Stück ist ebenso wie das zweite, in Brahms-Nähe weisende, wesentlich düsterere und dramatischere Trio op. 230 c-Moll – sollte dort die norddeutsche Herkunft durchschlagen? – ein durchaus hörenswertes und spannendes Kammermusikwerk.
Pädagogische Ader
Dass Reinecke als Schöpfer von reizenden Kinderliedern und einer Menge einfacher, dabei klangschöner Klavierstücke es vermochte, auch Trios für technisch nicht allzu versierte Liebhaber zu schreiben, beweisen die beiden ausgesprochen charmanten Serenaden op. 126. Solche melodisch ansprechende, attraktiv – aber nicht trivial – klingende Stücke zu komponieren, ist für jeden Komponisten eine echte Herausforderung, die Reinecke bravourös löste.
Von seiner von Schumann gerühmte Kunst des Arrangierens – „das kann ich nicht, da musst du den Reinecke fragen, der kann das besser“ bezüglich einer Fassung seiner Sinfonien für 2 Klaviere – zeugt die Bearbeitung von Beethovens Tripelkonzert für Klaviertrio ohne Orchester, bei der man letzteres nicht wirklich vermisst.
Liebevolle Interpretation
Das Hyperion-Trio (Hagen Schwarzrock, Klavier; Oliver Kipp, Violine; Katharina Trae, Cello) hat sich in die eingespielten Werke so vertieft, dass eine vorbildliche Balance erreicht wurde. Phrasierungen wurden genauestens abgeglichen, so dass die Streicher bei Parallelführung zu einem großen Instrument verschmelzen. Steigerungen werden ausgekostet und in Spannung umgesetzt, Bögen werden liebevoll geformt, Agogik zielgerichtet eingesetzt. Das zwingt förmlich zum Zuhören! Das Tripelkonzert wird lyrischer als vom Beethoven-Trio Bonn aufgefasst, das die Windisch-Bearbeitung flamboyanter darbietet. Dies ist jedoch Auffassungssache und keinesfalls ein Fehler, zumal die Spannung nicht darunter leidet.
Da die Techniker des WDR hier ebenfalls eine Meisterleistung vollbrachten, die man aber nur erkennt, wenn man den Lautstärkeregler etwas weiter aufdreht, und der Booklet-Text ausführlich über die Werke und ihren Hintergrund informiert, ist auch präsentationsmäßig nichts zu beanstanden.
Fazit: Kammermusik, die es zu hören lohnt! Fortgeschrittene Musikschüler sollten sich mit den beiden Serenaden beschäftigen. Op. 38 ist für ambitionierte Amateure durchaus noch „machbar“ und äußerst wirkungsvoll. Op. 230 könnte ein professionelles Programm absolut bereichern. Pflichtkauf für alle Kammermusikfreunde und auch ein originelles Geschenk für ebendiese. Deshalb klare Empfehlung!
Thomas Baack [27.12.2021]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Carl Reinecke | ||
1 | Klaviertrio D-Dur op. 38 | 00:30:01 |
5 | Serenade op. 126 Nr. 1 | 00:16:22 |
9 | Serenade op. 126 Nr. 2 | 00:15:09 |
CD/SACD 2 | ||
1 | Klaviertrio Nr. 2 c-Moll op. 230 | 00:25:14 |
Erich Wolfgang Korngold | ||
5 | Die tote Stadt op. 12 | 00:37:08 |
Interpreten der Einspielung
- Hyperion Trio (Klaviertrio)