Arvo Pärt
Passio
The Passion of Our Lord Jesus Christ According to John
BIS 2612
1 CD/SACD stereo/surround • 72min • 2020
09.11.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„Mit der Existenz von Tintinnabuli möchte ich gewissermaßen unterstreichen, dass die Wahrheit des Herrn währet ewiglich, ich möchte sagen, dass diese Wahrheit einfach ist! Man möchte direkt zu ihr hingehen“. Mit diesem Bekenntnis und seiner Musik hat sich Arvo Pärt auf den vielleicht nicht immer geraden, aber ohne Zweifel fruchtbaren Weg dorthin gemacht: „Tintinnabuli – das ist ein erstaunlicher Vorgang – die Flucht in die freiwillige Armut: die heiligen Männer ließen all ihren Reichtum zurück und gingen in die Einöde. So möchte auch der Komponist das ganze moderne Arsenal zurücklassen und sich durch die nackte Einstimmigkeit retten, bei sich nur das Notwendigste habend – einzig und allein den Dreiklang“. Viel mehr braucht Arvo Pärts Musik auch nicht. Ein paar Dreiklänge, ein paar Tonleitern, all das sparsam und immer von der Sprache ausgehend eingesetzt, das ist alles, was Pärt braucht. Die auf ein notwendiges Minimum reduzierten Mittel und ein gleichsam aus der Stille geschöpfter Gestus sind seine wesentlichen Gestaltungsmittel. Diese Musik entspringt zudem einer tiefempfundenen Demut und scheint sich jedem allzu gründlichen analytischen Zugriff zu verweigern. Man kann die zu Grunde liegenden Prinzipien zwar leicht erkennen, hat die Musik damit aber noch lange nicht verstanden.
Mustergültig schlicht
Passio, die Vertonung der Passion nach dem Evangelisten Johannes, ist eines der zentralen Werke Pärts und wude hier durch den Helsinki Chamber Choir in einer geradezu mustergültig schlichten Einspielung aufgenommen. Die außerordentliche formale Strenge dieser Musik korrespondiert in dieser Einspielung mit einer vokalen Perfektion, die sich selbst nie in den Vordergrund stellt. Nils Schweckendieck lässt die Passion ganz im Sinne Pärts ohne extrovertierte Äußerlichkeiten durchlaufen, die Dramatik ergibt sich allein aus dem Text. Zuweilen ergeben sich dann doch besondere dramaturgische Kulminationspunkte, die Pärt aber extrem dosiert einsetzt, etwa am Schluss, wenn er eine (!) einzige Textzeile einfügt und nach einer erschütternden Generalpause ein geradezu markerschütterndes „Amen“ erklingt. Das wird hier sehr eindrucksvoll musiziert und so die Ungeheuerlichkeit des Textes umso stärker vor Augen bzw. Ohren geführt. Nicht weniger eindrucksvoll ist es, wenn etwa der Evangelist, Jesus oder die anderen Protagonisten der Passionsgeschichte völlig ohne oder nur mit einer sehr sparsamen Begleitung ihre Texte psalmodieren, was auch nach strengen kompositorischen Regeln geschieht. Insgesamt ist diese Einspielung sehr zu empfehlen. Der Chor und das kleine Kammerensemble, das Pärt nebst Orgel zum Chor gesellt, klingen fabelhaft und stellen sich ganz in den Dienst dieser ganz aus der Demut des Komponisten vor seiner Aufgabe erwachsenden Musik.
Guido Krawinkel [09.11.2021]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Arvo Pärt | ||
1 | Passio (Passio Domini Nostri Jesu Christi secundum Joannem) | 01:11:00 |
Interpreten der Einspielung
- Sampo Haapaniemi (Bariton)
- Martti Anttila (Tenor)
- Linnéa Sundfær Casserly (Sopran)
- Sirkku Rintamäki (Mezzosopran)
- Mats Lilhannus (Tenor)
- Jussi Linnanmäki (Bariton)
- Jan Lehtola (Orgel)
- Helsinki Chamber Choir (Chor)
- Nils Schweckendiek (Dirigent)