Camille Sanit-Saëns
Symphonies No 3 'Organ' & 'Urbs Roma'
BIS 2470
1 CD/SACD stereo/surround • 74min • 2020
19.10.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Im Vorfeld des runden Jubiläumsjahrs für Camille Saint-Saëns (1835-1921) hatten einige Labels zuletzt etliche Neuaufnahmen von Orchesterwerken vorgelegt. Vor allem Marc Soustrots Einspielungen der Symphonien und Klavierkonzerte mit dem Symphonieorchester aus Malmö auf Naxos ernteten höchstes Lob – auch der Rezensent kürte letztere an anderer Stelle zur Referenzaufnahme. Vor zwei Jahren konnten Jean-Jacques Kantorow samt Sohn Alexandre mit den letzten drei Klavierkonzerten sogar noch eins draufsetzen, interessanterweise wieder mit einem nordischen Orchester. Während der Sieger des Tschaikowsky-Wettbewerbs 2019 mit einer CD der beiden ersten Konzerte auf sich warten lässt, hat der Vater bei BIS mit der vorliegenden, zweiten Veröffentlichung mittlerweile alle fünf Symphonien aufgenommen; diesmal allerdings mit dem Orchestre Philharmonique Royal de Liège, das Saint-Saëns seit jeher zu seinem Kernrepertoire zählt.
Verblüffende Virtuosität und Spritzigkeit
Zwischen den offiziellen Symphonien Nr. 1 und Nr. 2 entstand 1856 die Symphonie Urbs Roma, mit der der junge Saint-Saëns den Kompositionswettbewerb der Société Sainte-Cécile in Bordeaux gewann und sie dort ein Jahr später dirigierte. Ein Programm – der Titel war vorgegeben – ist nicht überliefert; ebenso bleibt unklar, warum sie der Komponist dann links liegen ließ. Erst 1974 erschien das Werk im Druck und wurde von Jean Martinon eingespielt. Äußerlich klassisch viersätzig, gibt es doch Bemerkenswertes: vor allem das ungewöhnliche Finale, das ein Menuett-Thema variiert, aber eher wie eine Ballettmusik denn eine Symphonie endet. Generell nimmt Kantorow alles ein wenig flotter als Soustrot, ist gerade bei den schnellen Sätzen – wie schon beim Finale der 2. Symphonie auf der ersten CD – spritziger, leichtfüßiger. Als erfahrener Violinvirtuose weiß Kantorow natürlich ganz genau, wie weit er damit gehen darf, ohne unpräzise zu werden. Obwohl die Aufnahme aus Lüttich halliger, zugleich räumlicher klingt als die aus Malmö, wirkt Kantorows Zugriff etwas kantenschärfer. Soustrot hingegen produziert mehr Wärme, oft auch Ausdruckstiefe, gleichfalls ohne jedes falsche Pathos, wirkt samtiger und gediegener als sein Landsmann. Beide Lesarten erfassen den Saint-Saëns-typischen, französischen Esprit so aus verschiedenen Blickwinkeln, gleichermaßen kongenial.
Präzise eingearbeiteter Orgelklang
Saint-Saëns‘ Orgelsymphonie von 1886 sah der Komponist als den Höhepunkt seines Schaffens an, schrieb wohl deswegen in den 35 Folgejahren keine weitere Symphonie mehr. Der Orgelpart ist ja keinesfalls solistisch gedacht; trotzdem konnte Kantorow hierfür den fantastischen Organisten und Komponisten Thierry Escaich gewinnen. Es ist wohl wieder mehr das Verdienst der BIS-üblichen, feinen Aufnahmetechnik, wie perfekt sich die Orgel in das Gesamtbild einfügt – das konnte man auf CD nie besser hören. Im Vergleich beschwört Soustrot im ersten der beiden zweigeteilten Sätzen vielleicht etwas mehr das Geheimnisvolle, Mystische herauf als Kantorow, zumal ab dem Orgeleinsatz. Dennoch erreicht dessen Neuaufnahme das gleiche Maß an Geschlossenheit, wenngleich nicht die fulminante Durchschlagskraft der Berliner Philharmoniker unter James Levine, nach wie vor die Lieblingseinspielung des Rezensenten. Als Gesamtaufnahmen sind – klanglich wie von der orchestralen Perfektion her – sowohl Soustrot wie Kantorow natürlich Jean Martinons Box aus den frühen 1970ern haushoch überlegen. Sie setzen ausdrucksmäßig unterschiedliche Schwerpunkte jeweils hundertprozentig um, daher: klare Empfehlung auch für Kantorow.
Vergleichsaufnahmen: [Symphonien Nr. 1, 2 & A-Dur] Orchestre Philharmonique Royal de Liège, Jean-Jacques Kantorow (BIS-2460, 2019-20) – [Symphonie Nr. 3] Berliner Philharmoniker, James Levine (DG 419 617-2, 1986) – [5 Symphonien] Orchestre National de l’ORTF, Jean Martinon (EMI CZS 7 62643 2, 1972-75); Malmö Symphony Orchestra, Marc Soustrot (Naxos 8.503301, 2013)
Martin Blaumeiser [19.10.2021]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Camille Saint-Saëns | ||
1 | Sinfonie F-Dur (Urbs Roma) | 00:39:11 |
5 | Sinfonie Nr. 3 c-Moll op. 78 (Orgelsinfonie) | 00:34:37 |
Interpreten der Einspielung
- Orchestre Philharmonique Royal de Liège (Orchester)
- Thierry Escaich (Orgel)
- Jean-Jacques Kantorow (Dirigent)