Nikolaus Harnoncourt
Farewell FromZurich
Prospero PROSP 0020
2 CD • 1h 40min • 2011
28.09.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Welch ein Abschiedsprogramm! Jeder andere Maestro hätte bei seinem Abschiedskonzert der Fünften Sinfonie von Beethoven ein weiteres orchestrales Schlachtross vorangestellt. Nicht so Nikolaus Harnoncourt, als er sich am 26. November 2011 nach fast 36jähriger Tätigkeit von „seinem“ Orchester der Oper Zürich (seit 2012 Philharmonia Zürich) verabschiedet: Als Verneigung vor dem Genie Mozarts eröffnet er das Programm mit dessen kolossaler Bläserserenade Nr. 10 B-Dur Gran Partita.
Dem konnte der wackere Textschreiber des Booklets offensichtlich geistig nicht folgen. Nach einem mehrseitigen Elaborat über die Beethoven-Sinfonie folgt am Schluss in einigen dürren Zeilen der Hinweis, dass der Konzertabend mit Wolfgang Amadeus Mozarts Gran Partita eröffnet wurde, deren Wiedergabe von Momenten wunderbar entspannter Schönheit lebte. Wie gut, dass Harnoncourt das nicht mehr lesen muss!
Don Giovannis Höllenfahrt als Schlüssel zu Mozarts Musik
An kaum einem anderen Komponisten hat sich Harnoncourt derart abgearbeitet wie Mozart. Mit Wort- und Notengewalt hat er unmissverständlich klar gemacht, dass dessen Musik eben nicht über Serenadenseligkeit, sondern über Don Giovannis Höllenfahrt zu definieren sei. Mit der vorliegenden Züricher Gran Partita zelebriert er das mit geradezu unheimlicher Perfektion. Das Stück ist im Vergleich zur klassischen Bläserserenade allein schon durch seine Besetzung revolutionär. Geht es doch mit seinen dreizehn Instrumenten und einer Spieldauer von 50 Minuten weit über alles seinerzeit Übliche des Genres hinaus. Das ganze Werk ist ungewöhnlich reich, an sowohl klanglichen als auch melodisch-harmonischen Effekten. Im Mittelpunkt steht die vierstimmige Klarinettengruppe mit je zwei Klarinetten und zwei Bassetthörnern. Das Bassetthorn ist ein Klarinetteninstrument in Altlage, gestimmt in F und in der Tiefe in Relation zur Klarinette um eine Terz erweitert. Mozart liebte das seinerzeit ganz neue Instrument. In seiner unnachahmlichen Art zerlegt Harnoncourt die Partitur regelrecht, um sie anschließend nach seinen Vorstellungen neu und glasklar wieder zusammenzufügen. Überraschende Tempi und Temporückungen fesseln ebenso wie die Herausarbeitung der einzelnen Stimmen und Instrumentengruppen. Beseelte Kantilenen und gegen den Strich gebürstete Klangkaskaden stehen im ständigen Wechsel, vom ersten Akkord bis zum wirbelnden Finale eine wahrhaft atemberaubende Angelegenheit!
Entfesselter Beethoven
Als Harnoncourt 1990/91 Beethovens Sinfonien erstmals aufnimmt, ist er nicht mehr in der Rolle des Pioniers: Christopher Hogwood und Roger Norrington hatten da bereits ihre Originalklang-Zyklen vorgelegt. Harnoncourt überrascht auf seine eigene Art und Weise, indem er auf alte Instrumente verzichtet. Mit dem Chamber Orchestra of Europe kommt er wiederum zu seinem ganz eigenen Stil, was er zu dem Zeitpunkt aber auch mit anderen namhaften Orchestern schon bewiesen hatte. Zu seinem Abschied in Zürich bringt er das mit seiner Version von Beethovens Fünfter Sinfonie noch einmal seine Sicht der Dinge auf den Punkt, streckenweise geradezu überspitzt mit ungeahnten Freiheiten bezüglich Agogik und Espressivität.
Ein Orchester übertrifft sich selbst
Die von der Technik hervorragend eingefangenen Aufnahmen geben die spannungsgeladene Atmosphäre des Abends geradezu plastisch wieder. Plastisch ist auch das Klangbild, klar durchhörbar bis in die letzte Nebenstimme. Die Krönung des Ganzen ist aber das Orchester, das sich in einen regelrechten Klangrausch steigert und sich in seiner Begeisterung selbst übertrifft.
Elf Minuten Beethoven-Probenmitschnitte sowie zahlreiche Abbildungen ergänzen das opulent gestaltete Doppelalbum.
Holger Arnold [28.09.2021]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Wolfgang Amadeus Mozart | ||
1 | Serenade Nr. 10 B-Dur KV 361 KV 370a (Gran Partita) | 00:52:43 |
CD/SACD 2 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67 (Tr. 5: NH rehearses Beethoven. Symphony No. 5, 2nd & 3rd movement) | 00:47:05 |
Interpreten der Einspielung
- Philharmonia Zürich (Orchester)
- Nikolaus Harnoncourt (Dirigent)