Felix Mendelssohn Bartholdy
String Quartets op. 44 Nos. 1 & 2
cpo 555 086-2
1 CD • 58min • 2016, 2018
17.05.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Man tut Felix Mendelssohn Bartholdy sicherlich nicht Unrecht, wenn man die Streichquartette op. 44 1 & 2 nicht zu seinen überzeugendsten Kompositionen rechnet. Die Werke entstanden in den Jahren 1837/38. Das D-Dur-Quartett ist ein „Quatuor concertant“, das die erste Violine dem verbleibenden Trio solistisch gegenüberstellt und auf die besonderen Fertigkeiten des Gewandhaus-Konzertmeisters Ferdinand David, für den später auch das Violinkonzert entstand, zugeschnitten wurde.
Mehr konstruiert als erfüllt
Beide Quartette dürften jeden erfreuen, der am Computer Noten zu setzen hat. Denn sie ermöglichen die ausgiebige Nutzung der Kopieren-und-Einfügen-Funktion, weil es Mendelssohn beliebt, achttaktige Perioden häufig gleich noch einmal wörtlich zu wiederholen. Gegen dieses Verfahren ist dann nichts einzuwenden, wenn damit eine andere harmonische Beleuchtung einhergeht oder das Thema elegant figuriert wird und hierdurch eine zielgerichtete Entwicklung entsteht. Es wirkt aber ermüdend, wenn die Originalität des melodischen Materials das Satzgefüge nicht trägt. Vermögen die Grandioso-Aufschwünge der Kopfsätze durchaus Interesse zu erregen, ist es damit schnell vorbei, wenn die Seitenthemen als liedertafelnd-lyrische Ruhepunkte zu schwachbrüstig sind, um dem Sturm Einhalt zu gebieten. Streng gebaute Perioden aus 4+4 Takten tragen zur Vorhersehbarkeit bei, denn auch die Durchführungselemente entstammen dem Standardrepertoire. Verminderte Septakkorde und ein wenig Chromatik, die pseudopolyphon aufgehübscht wird, machen das Ganze wenig überraschend. Den durchaus heroisch-pathetisch anhebenden Kopfsätzen hätte ein hymnisch breit strömendes Adagio Paroli bieten können. Stattdessen wird ein „Lied ohne Worte“ im Andante serviert. Der einzig durchgehend fesselnde Satz ist das Scherzo des e-moll-Quartetts. Die Sonatenhauptsatzformen der Kopfsätze und Finali – abgesehen vom fis-moll des Seitenthemas des D-Dur-Quartetts – wirken mehr konstruiert als erfüllt. Denkbar wäre allerdings, dass alle diese Elemente absichtlich gewählt wurden, damit auch der unaufmerksamste, bei einer Soiree auf Portwein und Zigarre konzentrierte Großbürger alles mitbekommt und das Gefühl hat, etwas verstanden zu haben.
Gediengene Umsetzung
Das Minguet-Quartett liefert eine ordentliche Lesart dieser beiden problematischen Werke ab. Durch den Ansatz, diese Werke wie „große Musik“ zu spielen, gerät manches in den Unterstimmen ein wenig zu gewichtig, so dass die führende erste Violine fast zugedeckt wird. Hier wären eine schlankere, süßere Tongebung und eine „verkaufsfördernde“ Agogik – die allerdings zwangsläufig zu einer Akzentuierung des Salonhaften geführt hätte – angebrachter gewesen.
Die Aufnahmetechnik schafft ein räumliches und präsentes Klangbild, kann aber die Verdickung in den Unterstimmen nicht ganz wettmachen. Der Booklet-Text informiert zuverlässig über die historischen Hintergründe und gibt sinnvolle Höranleitungen.
Fazit: Beide Quartette sind problematisch. Wer ein Faible für Quartette mit virtuos konzertierender Violine hat, käme bei Friedrich Ernst Fesca eher auf seine Kosten. Wer neben Schuberts Meisterwerken ein Faible für frühromantische Quartette hat, sei auf die vier wesentlich substanzvolleren Werke von Carl Czerny verwiesen. Wer eine optimale Einspielung dieser Mendelssohn-Quartette sucht, sollte auf jeden Fall die „süffigere“ Lesart des Emerson-Quartetts in Erwägung ziehen.
Thomas Baack [17.05.2021]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Felix Mendelssohn Bartholdy | ||
1 | Streichquartett op. 44 Nr. 1 | 00:30:11 |
5 | Streichquartett op. 44 Nr. 2 | 00:27:59 |
Interpreten der Einspielung
- Minguet Quartett (Streichquartett)