Paul Hindemith
Mainzer Umzug • Symphonische Metamorphosen
cpo 555 257-2
1 CD • 68min • 2018, 2020
17.03.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die Idee der Mainzer Stadtoberen, Paul Hindemith und Carl Zuckmayer, die sich schon seit Jahrzehnten kannten und schätzten, zu einem Autorentandem zu verbinden und mit einer Festmusik zur Zweitausendjahrfeier der Stadt zu beauftragen, war gut und vielversprechend. Man denke nur an die so fruchtbare, wenn auch keineswegs konfliktfreie Zusammenarbeit von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal. Auch in diesem Fall mussten sich Dichter und Komponist zusammenraufen, und Zuckmayer stellte am Ende fest, dass das Ergebnis „nur noch zu einem Bruchteil von mir ist“. 2000 Jahre Mainzer Geschichte von der Gründung des einstigen Römerkastells Mogontiacum bis zur Bundesrepublik der Adenauerzeit in 40 Minuten aufzuarbeiten, ohne in einen trockenen Volkshochschul-Ton zu verfallen, war eine Herausforderung, der sich der Autor mit dem Geschick des erfahrenen Dramatikers stellte. Zwei Personen aus dem einfachen Volk, Schöppche und Böppche (was einen Diminutiv des in diesem Falle weiblichen Hinterteils bedeutet) verfolgen staunend und engagiert einen großen Festzug mit Masken und in historischen Kostümen, lassen sich von dem gelehrten Pronobis die geschichtlichen Zusammenhänge erklären und geben ihre bodenständigen Kommentare dazu. Es versteht sich, dass sie dabei ihre Mainzer Mundart pflegen, während ihr Mentor sich eines gepflegten Hochdeutschs mit lateinischen Einschüben befleißigt.
Humor gegen Ernst
Zuckmayer spart nicht mit satirischen Spitzen, wenn er etwa in Couplets anmerkt, dass die Erfinder der Buchdruckerkunst, hätten sie gewusst, was heutzutage eine Zeitung und was Literatur ist: „die hätte’s lasse bleiwe“. Es scheint so – und auch der Briefwechsel der beiden weist darauf hin –, als habe Hindemith mit Zuckmayers Humor nicht so viel anfangen können. Jedenfalls greift er die textlichen Vorgaben in dieser Richtung musikalisch kaum auf und bedient mehr den Charakter einer festlichen Kantate. Dem etwas spröden und akademischen Tonsatz hätte man etwas von der tänzerischen Leichtigkeit gewünscht, die Hindemiths zwei Jahrzehnte vorher entstandenen, ursprünglich als Ballettmusik konzipierten Sinfonischen Metamorphosen nach Themen von Carl Maria von Weber auszeichnet und die in dieser Aufnahme dem Umzug vorangestellt sind.
Adäquate Umsetzung
Die vom Komponisten selbst dirigierte Mainzer Uraufführung des Werks (23. Juni 1962), das er mit Max Regers Variationen und Fuge über ein Thema von Johann Adam Hiller koppelte, hatte beim Publikum großen Erfolg, zumal die beiden volkstümlichen Rollen von Böppche und Schöppche mit den damals überaus populären und zudem mit dem Mainzer Dialekt bestens vertrauten Sängern Anny Schlemm und Josef Traxel besetzt waren. Wiederholungen in Wien und Berlin mit denselben Protagonisten fanden dagegen nur ein gedämpftes Echo. Das ist kein Wunder, denn es handelt sich hier um eine spezifisch Mainzerische Angelegenheit. Und das ist sie auch in der vorliegenden Aufnahme mit Solisten und Musikern des dortigen Staatstheaters. Die sind mit einer gewissen Begeisterung bei der Sache und überwinden damit die regional bedingten Grenzen, auch wenn außerhalb nicht alle sprachlichen Details verstanden werden können. Marie-Christine Haase und Alexander Spemann agieren mit Witz und Laune und Michael Dahmen leiht dem Cicerone Pronobis seinen noblen lyrischen Bariton. Der klangschöne LandesJugendChor Rheinland-Pfalz lässt hinsichtlich der Textdeutlichkeit Wünsche offen. Das Philharmonische Staatsorchester Mainz unter ihrem GMD Hermann Bäumer erbringt eine vorzügliche Leistung und kann es in den Sinfonischen Metamorphosen mit Einspielungen prominenterer Orchester jederzeit aufnehmen.
Ekkehard Pluta [17.03.2021]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Paul Hindemith | ||
1 | Requiem (Vorspiel). Als jüngst der Flieder mir im Garten blüht. | 00:04:19 |
2 | Sinfonische Metamorphosen über Themen von Carl Maria von Weber | 00:21:21 |
6 | Mainzer Umzug | 00:39:42 |
Georg Karl Zulehner | ||
15 | Narrhalla-Marsch | 00:02:46 |
Interpreten der Einspielung
- Marie-Christine Haase (Böppche - Sopran)
- Alexander Spemann (Schöppche - Tenor)
- Michael Dahmen (Pronobis - Bariton)
- Landesjugendchor Rheinland-Pfalz (Chor)
- Philharmonisches Staatsorchester Mainz (Orchester)
- Hermann Bäumer (Dirigent)