o luna mia
Works by Merula, Romano, Debussy and Seilov
Genuin GEN 21715
1 CD • 67min • 2019
27.01.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Keine Frage, es ist ein ungewöhnlich originelles und eindrucksvolles Debüt-Album, das die Berliner Sopranistin Pia Davila hier vorlegt. Der titelgebende Mond ist dabei nur ein Orientierungspunkt für eine Reise durch den Tag und (musikalisch) durch vier Jahrhunderte. Sehr Altes und ganz Neues prallen da ständig aufeinander und werden in Beziehung gesetzt. Die Sängerin, die sich in allen stilistischen Richtungen zuhause fühlt, ist dabei eine kompetente „Reiseleiterin“.
Weltpremieren
Je drei Titel von Lorenzo Romano (Jg. 1985) und Aigerim Seilova (Jg. 1987) sind als Weltersteinspielungen deklariert, vier davon wurden eigens für diese CD komponiert, das heißt, man kann davon ausgehen, dass sie auch den besonderen Fähigkeiten der Sängerin Rechnung tragen. Zwei Gesänge Romanos entstammen seiner Oper La luna, die im Juni in der opera stabile, der Experimentierbühne der Hamburgischen Staatsoper herauskommen soll. In diesem Werk geht es auch um die Entzauberung der romantischen Mond-Mythen. Für die vorliegende Aufnahme wurde anstelle des vorgesehenen instrumentalen Ensembles ein Tonband mit Naturgeräuschen eingesetzt. Im Lied Sol che dal Tauro fai Temprati Numi, das wie die beiden Mondgesänge auf Giordano Brunos Traktat De gli eroici furori (Die heroischen Leidenschaften) basiert, werden Sonne und Herz gegenübergestellt: Hitze strahlen beide aus, aber während die Sonne wärmt, verbrennt das Herz vor Sehnsucht. Romano ist Italiener genug, um aus seiner avantgardistischen Tonsprache die Kantilene nicht ganz zu verbannen.
Weitaus radikaler gibt sich da die aus Kasachstan stammende Kollegin Aigerim Seilova, die mit drei Gedichten der Berliner Lyrikerin Katharina Schultens experimentiert, indem sie die Worte in Silben, gar Vokale auflöst und die Sängerin, die – überwiegend a cappella - zwischen Sprechen, Flüstern und Singen wechseln muß, in stimmliche Grenzbereiche führt: Ein vokales Bravourstück für Pia Davila. Ob diese Vertonung zum Verständnis der ohnehin nicht leicht zu erschließenden Texte beiträgt, ist eine aber andere Frage.
Galante Feste
Tarquinio Merula (1595-1665), ein wenig bekannter Zeitgenosse von Monteverdi, der hauptsächlich in Cremona tätig war, behandelt in seinen 1638 veröffentlichten Capricci in einem volksliedhaften, tänzerisch beschwingten Ton Freuden und Qualen der Liebe. Hier finden die Sängerin und der auf drei verschiedenen alten Instrumenten begleitende Lautenist Andreas Nachtsheim einen animierenden, wahrhaft „kapriziösen“ Vortragsstil mit Verzierungen in den strophischen Gesängen. In den acht Liedern von Claude Debussy, die überwiegend aus seinen Anfangsjahren stammen, als er noch auf der Suche nach seinem eigenen Stil war, zeigen Davila und der Pianist Eric Schneider mehr expressive Schärfe als impressionistisches Flirren. Der bekannteste Titel, Clair de lune, auf einen Text aus Paul Verlaines Fêtes Galantes, wird in den Varianten von 1882 und 1891 ausgeführt, in der sich Debussys Entwicklung von einem noch traditionell melodischen zu einem mehr deklamatorischen Gesangsstil studieren lässt. Vergleichsweise „moderne“ Töne schlägt er aber bereits in der Pantomime von 1882 an, die ebenfalls auf einen Text von Verlaine zurückgeht.
Das Booklet dieses bemerkenswerten Debüt-Albums enthält einen sehr schlüssigen und informativen Einführungstext von Meike Pfister, Künstlerbiographien und die Liedtexte in der jeweils gesungenen Sprache. Notwendige Übersetzungen ins Deutsche und Englische können im Internet unter www.genuin.de/21715 abgerufen werden.
Ekkehard Pluta [27.01.2021]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Tarquinio Merula | ||
1 | Folle è ben chi si crede (Curtio percipitato et altri capricii, Libro secondo, 1638) | 00:04:11 |
Lorenzo Romano | ||
2 | Luna Incostante Luna Varia I | 00:04:58 |
Claude Debussy | ||
3 | Clair de lune (aus: Fêtes galantes) | 00:03:15 |
4 | Nuit d'étoiles | 00:02:55 |
5 | Romance L 56 (Silence ineffable de l'heure) | 00:02:57 |
Tarquinio Merula | ||
6 | Chi vuol ch'io m'innamori | 00:02:35 |
7 | Un bambin che và alla scola | 00:02:29 |
8 | El me tira nott'e di | 00:02:20 |
Aigerim Seilova | ||
9 | bärenmarkt | 00:05:02 |
Claude Debussy | ||
10 | Pantomime | 00:02:30 |
11 | Fut-il jamais (Rondeau) | 00:02:41 |
Aigerim Seilova | ||
12 | vater | 00:04:17 |
13 | strings | 00:06:25 |
Tarquinio Merula | ||
14 | Menti, lingua bugiarda | 00:02:58 |
Lorenzo Romano | ||
15 | Sol che dal Tauro fai Temprati Numi | 00:01:48 |
Tarquinio Merula | ||
16 | Non mi chiedete, o fidi amici | 00:01:50 |
17 | Quand'io volsi l'altra sera | 00:03:03 |
18 | Luna Incostante Luna Varia II | 00:02:34 |
Claude Debussy | ||
19 | Les Angélus | 00:02:35 |
20 | Clair de lune L 86 | 00:02:53 |
21 | Beau soir L 84 | 00:02:31 |
Interpreten der Einspielung
- Pia Davila (Sopran)
- Eric Schneider (Klavier)
- Andreas Nachtsheim (Laute)